Dann mach ich eben Schluss
und malen können als ich. Also lasse ich es lieber sein und konzentriere mich auf â¦Â«
Worauf? Mir fällt nichts ein.
»Auf was?« hakt Annika nach, und endlich wende ich den Blick von dem jetzt dunklen Bildschirm. Auch das Lüftungsgeräusch meines Laptops ist erstorben, jetzt gibt es nur noch uns beide hier drin, Annika und mich, zum ersten Mal seit einer Ewigkeit entsteht fast so etwas wie Nähe zwischen uns. Sie singt nicht laut vor sich hin, sie kritisiert mich nicht, sie stellt mir niemanden als leuchtendes Beispiel hin. Annika ist ganz bei mir, und obwohl ich unwillkürlich an Delia denken muss und sofort wieder diesen leisen, feinen Stich in mir spüre, wenn ihr Gesicht vor meinem inneren Auge auftaucht, genieÃe ich Annikas Gegenwart. Den Laptop stelle ich auf dem Boden ab, dann lege ich meine Mal- und Zeichenutensilien beinahe feierlich in einen Karton, den ich sorgfältig schlieÃe und unter mein Bett schiebe. Danach strecke ich mich rücklings auf dem Bett aus, und sie legt sich auf die Seite in meinen Arm, mir zugewandt, keiner von uns beiden redet noch, ich starre an die Decke und spüre die Wärme ihres Körpers neben mir, es drängt mich nicht, mit ihr zu schlafen, und auch sie versucht nichts in dieser Richtung, wir liegen einfach nur da und schweigen.
Irgendwann steckt meine Mutter ihren Kopf zur Tür herein. Vermutlich brennt sie bereits den ganzen Tag darauf, zu erfahren wie die Klausur für mich gelaufen ist. Sie weià es, sobald sie uns sieht, und mir entgeht nicht, wie ihr angespanntes, aufmunternd lächelndes Gesicht zusammenfällt. Ich sehe auch, wie erleichtert sie ist, dass sie Annika und mich so nah beieinander sieht wie sonst selten. So schlecht wird es ihm schon nicht gehen, wenn er sein Mädchen im Arm hält. Später höre ich sie vor der Tür leise flüstern, dazwischen Vaters Stimme, ich bin ihr dankbar, dass sie versucht ihn davon abzuhalten, mich jetzt mit Fragen zu bestürmen.
»Vielleicht bekomme ich richtig viel Geld für den ganzen Kram«, sage ich, als es drauÃen zu dämmern beginnt. »Dann lade ich dich davon zu etwas Schönem ein. Du hast freie Auswahl.«
»Musst du nicht«, antwortet sie und räkelt sich ein wenig, legt ihren Arm um meine Hüfte. »AuÃerdem hast du doch immer Kohle.«
»Aber wenn wir das Geld von meinem Malzeugs auf den Kopf hauen, hätte es was Symbolisches. Ein neuer Anfang, losgelöst selbst von einem alten Hobby, das mich nicht weiterbringt. Das Abi kann ich knicken, und jetzt auch noch das Malen aufgegeben zu haben â einerseits zerreiÃt es mich, aber irgendwie ist es auch toll. Ich hab alles hinter mir gelassen. Ab heute blicke ich nur noch nach vorn, und das mit dir zusammen. Da kann es nur noch besser werden, meinst du nicht?«
Von nun an bessert sich meine Stimmung ein wenig. Die schriftlichen Prüfungen in meinem Deutsch-Leistungskurs und im Grundkurs laufen besser, und ich versuche mich an die Hoffnung zu klammern, dass ich vielleicht doch nicht durchfalle. Ganz knapp mein Abi bestehe. Wenigstens das â über den Durchschnitt regt sich mein Vater vielleicht nur am Anfang auf. Er hat andere Sorgen, und meine Mutter schafft es mit ihrer versöhnlichen, beschwichtigenden Art, ihn und mich voneinander fernzuhalten, soweit es geht, und er scheint ihr abzunehmen, alles sei in Ordnung. Vielleicht ist er auch nur froh, sich nach seinem langen Arbeitstag nicht auch noch mit mir beschäftigen zu müssen.
Natalie hat bei Jugend musiziert den zweiten Platz belegt.
»Bist du enttäuscht?«, habe ich sie nach dem Konzert gefragt, aber sie hat nur entschieden den Kopf geschüttelt und sich gegen die Stirn getippt.
»Ich mach mich doch nicht von einem Wettbewerb abhängig«, bekräftigte sie. »Ich weiÃ, was ich kann, und diese gestelzte Atmosphäre da stört mich sowieso. Ab sofort wird wieder in Clubs und auf Partys gerockt.«
»Aber unser Daddy hätte dich gerne als Siegerin gesehen«, zog ich sie auf, aber Nati boxte mich nur in die Rippen und lachte. Danach wurde sie wieder ernst und sah mich an.
»Ich hab mich viel zu lange auf diesen Wettbewerb fixiert«, gestand sie. »Wie hinter Scheuklappen, das lasse ich so schnell nicht mehr mit mir machen. Aber du, was ist mit dir ⦠gehtâs dir einigermaÃen?«
»Mit Mathe bin ich durch«, berichtete ich. »Jetzt heiÃt
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