Dann muss es Liebe sein
Beinen durch den Flur nach hinten auf die Station humpelt, und ich frage mich, warum Mrs Dyer ihren Hund lieber einen ganzen Monat länger leiden lässt, als mich oder Drew einen Blick auf ihn werfen zu lassen. Doch dann muss ich los zu zwei Hausbesuchen und vergesse ihn wieder.
»Emma fragt, ob Sie sich mal kurz ihre Röntgenaufnahme anschauen können«, sagt Izzy, als ich zurückkomme.
»Jetzt gleich oder später?«
»Jetzt sofort.« Izzy spielt mit dem Clip an ihrem Dosimeter herum.
»Ich muss erst noch ein paar Anrufe tätigen.«
»Dann gehen Sie doch rüber und sagen Sie ihr das selbst«, erwidert Izzy genervt. »Ich bin es allmählich leid, für Sie beide den Vermittler zu spielen.«
»Tut mir leid.« Wahrscheinlich hat sie recht, genau das haben Emma und ich aus ihr gemacht. Wir schicken Izzy und manchmal auch Shannon mit Nachrichten hin und her, weil es einfacher ist, nicht miteinander zu reden. Wenn wir einander gegenüberstehen, spüre ich überdeutlich, dass mein wachsender Bauch zwischen uns steht. »Das habe ich gar nicht gemerkt …«
»Ich weiß, dass es im Moment ein bisschen schwierig zwischen Ihnen ist, aber daran wird sich nichts ändern, wenn Sie nicht miteinander reden. Wie auch immer, ich möchte nicht, dass die Praxis Schaden nimmt«, entgegnet Izzy, »und deshalb habe ich mit Chris gesprochen. Wir haben beschlossen, die Hochzeitsreise sausen zu lassen, wenn es Ihnen hilft. Die große Hochzeit können wir ja trotzdem feiern.«
»Wenn Sie das tun, Izzy, dann muss ich Sie leider feuern. Ich verspreche Ihnen, dass das Otter House noch steht, wenn Sie wieder zurückkommen.« Und wie um ihr zu beweisen, dass zwischen Emma und mir alles in Ordnung ist, gehe ich nach hinten.
Emma ist im OP -Raum. Brutus ist noch immer sediert, sein Kopf liegt auf dem Beistelltisch, sein Schwanz auf dem OP -Tisch.
»Ich musste ihn hier röntgen, er ist so groß, dass er nirgendwo sonst hingepasst hat.« Emma betrachtet das Röntgenbild am Negatoskop und tippt mit ihrem Stift auf einen Fleck an einem der Knochen. »Wonach sieht das für dich aus?«
»Ich würde sagen, das ist ein primärer Knochentumor«, antworte ich, und das bedeutet, ganz gleich, welche Behandlung Emma empfiehlt – Amputation oder Bestrahlung –, Brutus’ Chancen stehen nicht gut. Dabei wirkt dieser kleine Fleck aus mottenzerfressenem Knochen so winzig und unscheinbar, dass man ihm solche verheerenden Auswirkungen kaum zutrauen würde.
»Schlechte Nachrichten also.« Emma zieht das Röntgenbild aus der Klemmvorrichtung am oberen Rand des Negatoskops und steckt es in einen Umschlag. »Für Mrs Dyers nächsten Termin plane ich lieber die doppelte Zeit ein.«
»Sie wird am Boden zerstört sein.«
»Ja«, stimmt mir Emma zu. »Aber ich glaube, ich schicke die Aufnahme noch zu einem Experten, um eine zweite Meinung einzuholen«, und ich denke, warum denn, was ist mit meiner Meinung? Zählt meine Meinung nicht mehr?
»Ich wüsste nicht, was es sonst sein sollte.«
»Du weißt ganz genau, dass es auch etwas anderes sein könnte.«
»Ja, aber wahrscheinlich ist der Tumor bösartig. Wenn es sich um Miff handelte, würdest du keine zweite Meinung abwarten. Dann würdest du gleich morgen operieren.«
»Aber ich kenne Mrs Dyer. Ich weiß, wie pingelig sie ist, und ich habe keine Lust, dass sie mir monatelang vorwirft, ich hätte einen Fehler gemacht. Außerdem dauert es ein paar Wochen, ehe die Stellungnahme des Radiologen da ist, und dann kann ich die Operation bequem kurz vor oder nach meinem Embryonentransfer vornehmen.«
»Das kannst du nicht machen. Bist du wahnsinnig?«
»Wir brauchen uns nicht für die Praxis aufzuopfern, Maz. Manchmal müssen wir auch an uns selbst denken.«
»Aber doch nicht, wenn ein Patient darunter leidet.« Ich kann nicht glauben, was ich da von meiner früher so engagierten und mitfühlenden Partnerin höre. »Bis du dazu kommst, ihn zu operieren, hat der Tumor womöglich gestreut.«
»Vielleicht hat er das ja jetzt schon«, antwortet Emma. »Hör zu, Maz, Mrs Dyer ist meine Kundin. Ich behandle Brutus, wie ich es für richtig halte. Vielen Dank für deine Hilfe.«
»Ich glaube nicht, dass du bei deiner Entscheidung wirklich das Wohl des Hundes im Blick hast.«
»O doch, das habe ich.«
Es hat fast den Anschein, als wolle sie mich dafür bestrafen, dass ich schwanger bin. Es scheint, als könne sie es kaum ertragen, mich anzusehen, weil mein wachsender Bauch sie so schmerzlich an ihre eigene
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