Dann muss es Liebe sein
nach Talyton«, sagt Alex.
»Ich komme mit«, entgegne ich kurz entschlossen. »Dann können wir unsere Vorräte aufstocken – mit Käse, Nüssen und Hülsenfrüchten statt diesem grässlichen Zeug, von dem du dich ernährst.«
Es stimmt – man lernt einen Menschen erst richtig kennen, wenn man mit ihm zusammenwohnt. Mir war nicht bewusst, wie sehr Alex’ Ernährung auf Fast Food von Mr Rock’s, Fertigmenüs aus dem Supermarkt und Kuchen beschränkt ist. Und vorher ist mir auch nie aufgefallen, wie gerne er Thriller liest – Wilbur Smith, John Grisham und James Patterson. Wenn ich über Nacht bei ihm geblieben bin, hat er die Bücher immer unters Bett geschoben. Jetzt, wo ich gewissermaßen zur Einrichtung gehöre, lässt er sie offen auf dem Nachttisch und dem Badezimmerregal liegen. Außerdem habe ich alte Fotos von ihm gefunden – sie lagen zusammen mit alten Postkarten in einer Schachtel im Stiefelraum (ich nenne ihn ja Garderobe). Auf den Fotos ist ein unglaublich jung aussehender Alex bei seiner Abschlussfeier und seiner Hochzeit mit Astra zu sehen. Außerdem gibt es ein Bild von ihm mit längerem Haar und Eyeliner in einem weißen Rüschenhemd. Offensichtlich hat er sich für eine New-Romantic-Achtzigerjahre-Party ausstaffiert. Mittlerweile ist er eher ein alter Romantiker. Als er ein paar Stunden später Liberty in ihrer Box untersucht, um herauszufinden, ob sie für die Befruchtung bereit ist, spielt er ihr langsame Musik aus dem Radio vor.
»Sie ist so weit«, sagt er, und seine Schürze raschelt, als er die Ultraschallsonde wieder herauszieht.
»Ich persönlich bin ja eher für die natürliche Methode«, bemerkt er. Ganz meine Meinung, denke ich lächelnd, während er fortfährt und dabei den Samen einbringt. »Aber der Hengst ist im Ausland.«
Assistierte Reproduktion. Es ist alles so furchtbar klinisch, und ich muss an Emma denken. Hier gibt es keine Leidenschaft, keine Wärme, keine Bindung.
»Das war’s, Libs«, sagt Alex. »Hoffentlich hat es funktioniert.«
»Und nun heißt es warten.«
»Ja, elf Monate, um genau zu sein, dann bekommt sie ein gesundes Fohlen. So ist zumindest der Plan.«
»Braucht sie denn ab jetzt eine besondere Behandlung?«
»Nichts anderes als sonst. In ein paar Wochen mache ich noch einen Ultraschall, um herauszufinden, ob es tatsächlich funktioniert hat, und um sicherzugehen, dass sie keine Zwillinge bekommt.«
Ach ja. Ich erinnere mich vage, dass Mehrlingsschwangerschaften bei Pferden unbedingt abgebrochen werden müssen. Wenn nicht, läuft man Gefahr, am Ende nicht nur die Fohlen, sondern auch die Stute zu verlieren.
»Hast du dich eigentlich schon zu deinem Geburtsvorbereitungskurs angemeldet?«, fragt Alex.
»Nein. Lynsey hat zwar gesagt, er wäre ihr eine große Hilfe gewesen, aber ich halte das Ganze doch eher für Zeitverschwendung.«
»Du könntest den einen oder anderen Tipp bekommen, ein paar nette Frauen kennenlernen … Ich würde dich auch begleiten.« Alex wickelt das Kabel des Ultraschallgeräts auf und schiebt es aus der Box. Draußen bleibt er stehen und sieht mich an. »Du hast deiner Mutter noch immer nichts gesagt, stimmt’s?«, meint er aus heiterem Himmel. »Warum lädst du sie nicht für ein paar Tage zu uns ein. Sie kann hier übernachten.«
»Das ist keine gute Idee.« Ich höre schon, wie sie mich anschnauzt, bis ich mir dumm und unfähig vorkomme, weil ich diesen dämlichen Fehler gemacht und meine Karriere aufs Spiel gesetzt habe. Ich habe sie kaum gesehen oder mit ihr gesprochen, seit ich aus London weggezogen bin, und von mir aus kann das auch gerne so bleiben.
»So schlimm, wie du sie immer darstellst, kann sie doch gar nicht sein.«
»Sie würde dich die ganze Zeit nur anbaggern.«
»Das ist ja lächerlich.«
»Du kennst dich doch mit dauerrossigen Stuten aus, oder? Sie flirtet mit jedem Kerl, der nicht bei drei auf den Bäumen ist.«
»Schon gut, ich habe verstanden«, sagt er, aber ich sehe ihm an, dass er nicht überzeugt ist. »Was ist mit dem Baby? Es ist schließlich ihr Enkelkind.«
»Du verstehst das nicht. Ich will sie nicht in meinem Leben haben. Ich brauche sie nicht. Ich habe das alles hinter mir gelassen.«
»Sie ist deine Familie.«
»Du bist jetzt meine Familie. Du und Böhnchen«, erkläre ich. In dem Moment schießt der alte Fox-Gifford mit seinem Range Rover auf den Innenhof. Er rast um die Ecke, schleudert über den Kies, bremst zu spät und kracht mit voller Wucht von hinten in mein Auto. Die
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