Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Monaten läufst du hier jetzt mit – es wird Zeit, dass du mal anfängst, für dein Geld zu arbeiten!« Bei anderer Leute Faulheit versteht Wilma nämlich keinen Spaß. Nicht für zehn Cent. Und Fred hat sich die Monate zuvor immer mit seiner mangelnden Berufserfahrung um die meisten Dienste geredet – obwohl er zuvor schon ein Jahr lang in einem anderen Haus gearbeitet hatte. Aber Wilma hat die Nase heute gestrichen voll. Wenn sie schon zwei Wochenenden verpasst bekommt, dann soll Fred jetzt auch ein bisschen bluten. Und so muss Dr. Multisozialversagen letztlich tatenlos mit ansehen, wie ihm gnadenlos sechs ungeliebte Dienste aufgebrummt werden. Ohne Wenn und Aber. Und dann ist er auch schon fertig, der Dienstplan!
Zufrieden seufzend, lehne ich mich auf meiner Couch zurück und sehe zu, wie alle Schäfchen, mehr oder weniger beleidigt, ihrem Tagewerk entgegensehen.
Schön, dass wenigstens eines immer noch so ist wie in den guten, alten Zeiten, als Medizin noch etwas mit Ehre zu tun hatte: Wer versucht, sich zu drücken, bekommt das, was vom (Dienst-)Tag übrig bleibt …
Achter Schwangerschaftsmonat
Surf and Turf – warum Abschiebungen manchmal wie Drehtüren sind
Jeden Tag turfen wir Patienten durchs Orbit! Schicken sie von A nach B, weil sie falsch bei uns sind. Oder therapieresistent. Oder nur vom Pflegeheim abgeschoben. Und alle anderen Abteilungen tun täglich genau dasselbe. Alles, was nicht entlass- oder operierfähig ist, obendrein eine unklare und/oder schlecht zu therapierende Diagnose hat, versucht Arzt schnellstmöglich in eine andere Fachrichtung abzuschieben. Und mancher Kollege beherrscht diese Kunst moderner Patientenverschickung auf solch subtile Art und Weise, dass du es als völlig ahnungsloses Gegenüber erst dann merkst, wenn man dir die Station schon voller Kuckuckseier gelegt hat und der Chef dir einen Mittelscheitel föhnt, weil diese Menschen nun wochenlang nichts anderes bringen als teure Diagnostik und fehlende Betten für die wirklich kranken Leute.
So wie heute Morgen: Das Diensthandy klingelt, und am anderen Ende der Leitung ertönt die sehr sympathisch klingende männliche Stimme eines Assistenzarztes der internistischen Station am anderen Ende der Klinik. Ob er denn wohl mal die zuständige Stationsärztin der Gynäkologie sprechen könne.
Alles klar, Baby, hier wird dir geholfen!
»Hallo, ich bin Dr. Josephine Chaos, die Stationsärztin. Sie sind ganz richtig bei mir. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Gott, ich mag es einfach, wenn Leute nett sind. Liegt das vielleicht auch am Überschuss meiner Schwangerschaftshormone?
Der Kollege – Herr Dr. Süßholz – berichtet von einer Patientin, welche er zwei Wochen zuvor über den Notarzt intensivmedizinisch aufgenommen hätte. Die alte Dame, Jahrgang Achtzehnhundert-irgendwas, sei im Seniorenheim böse gestürzt und wäre dann mit dem dringenden Verdacht auf Schlaganfall in unsere Klinik, Abteilung Intensivmedizin, eingeliefert worden.
»Und als wir sie dann mal ordentlich durchgecheckt haben, ist uns ein Befund am Eierstock aufgefallen!«
Das ist ja hochinteressant, denke ich mir.
»Hochinteressant, lieber Kollege! Und weiter?«
Gepflegt die ollen Schwangerschaftstreterchen hochgelegt, mit einem leckeren Kakao auf dem Bauch sitze ich auf der Aquariumscouch und lausche entspannt dem sympathischen Singsang dieser netten Person.
Also – da das alte Mädchen sich trotz fortgeschrittenen Alters als wirklich wunderbar rekonvaleszent gezeigt hatte, mittlerweile quasi komplett wiederhergestellt sei – »Wie neu, Kollegin, und internistisch absolut austherapiert!« –, würde man sie gerne zur weiteren Diagnostik in die Gyn verlegen. Also zu uns.
»Weil Ihre Abteilung doch auch so einen tollen Ruf hat!«
Der ist echt so nett , der Kleine! Und in Gedanken habe ich ihm das Bett quasi schon geschenkt. Es bleibt abschließend nur noch eine klitzekleine, rein formale Frage.
»Ist die Dame denn gegebenenfalls operabel? Ich meine – bei einem solchen Befund in diesem Alter muss man auch mal an etwas Bösartiges denken. Ist sie denn fit genug, eine Bauchspiegelung zu überstehen?«
»Operieren ist Ü-BER-HAUPT kein Problem! Anästhesie auch nicht!« Hand aufs Herz – isch bin ein ehrlisch Kerl!
Letzteres hat der nette Kollege natürlich nicht gesagt, aber Tonlage und Wahl seiner Worte haben ebendies impliziert. Und Josephine Chaos ist so irre gutgläubig, dass geht auf keine Kuhhaut. Doch noch während ich den Hörer
Weitere Kostenlose Bücher