Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Anamneseliste. »Hören Sie, ich kann Ihnen am Telefon leider nicht wirklich weiterhelfen, Sie müssten schon hier vorbeikommen!«
Meine Gesprächspartnerin fällt erneut in ihre scheinbar chronische Verlangsamung zurück. Wenn sie in diesem Tempo weitermacht, kann ich direkt nach Beendigung des Telefonats meinen Ruhestand antreten.
»Wissen Sie, es könnte sein, dass da ein Tampon drin ist!«
Es gibt tatsächlich Menschen, die hört man durchs Telefon hindurch denken!
»Könnte da ein Tampon drin sein …?«
Die Gute sinniert jetzt ein bisschen improvisiert vor sich hin. Ich muss ein wenig schnaufen. Vielleicht sollte ich noch schnell eine Ecke aus meiner Schreibtischkante beißen?
»Hören Sie – das kann ich Ihnen so am Telefon leider gar nicht beantworten, da müssen Sie schon herkommen, damit ich nachschauen kann, ob da etwas in Ihrer Scheide steckt und wenn ja: WAS!«
Es folgt erneut eine sehr, sehr lange Denkpause.
»Aber wenn ich taste, dann fühlt sich alles leer an … – Könnte es sein, dass da KEIN Tampon drin ist?«
Josephine kurz vor der Schnappatmung.
»Sicher, normalerweise ist die Scheide FREI VON Tampons, außer Sie hätten eben einen hineingetan.«
»Hm – also, ich weiß nicht … – ich hatte meine Tage ja gerade, aber ich nehme doch immer Binden. Keine Tampons … – vielleicht ist da eine Binde drin? Das könnte doch sein, oder …?«
»… ??????????? …«
Josephine sprachlos gibt es extrem selten!
»… also – der Druck da in meiner Scheide – wo kann der denn bloß herkommen?«
»Wissen Sie«, presse ich mühsam zwischen den Zähnen hervor, »das kann ich Ihnen am Telefon beim besten Willen NICHT sagen. Sie müssen hierherkommen, damit ich Sie untersuchen kann!«
Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir:
»Ärztin am Telefon tot zusammengebrochen!«
»Hm – dann muss ich wahrscheinlich mal bei Ihnen im Krankenhaus vorbeikommen. Wegen der Tampons und so …!«
Werft Konfetti! Lasset Fanfaren erklingen!
Sie kam dann tatsächlich. Anfang zwanzig, wasserstoffperoxidsuperblondiert auf 10-Zentimeter-Absätzen unter bikinikurzem Lederröckchen, das Gesicht mit circa zwei Zentimeter dickem grellpinkem Glitzer-Make-up rundum verputzt. Und ihre Scheide war so leer wie Aldi-Süd am Sonntag.
Ihr Kopf – mit Verlaub – auch! Aber gut, dass wir mal drüber geredet haben.
Frau Dr. Bleuler und das kleine Einmaleins der Psychiatrie
»Du, Josephine?«
»Hm …?«
»Wann kommt das Kind denn eigentlich?«
Gerade noch im Diensteingewöhnungsnickerchen auf der Aquariumscouch, jetzt schon in der Realität, danke schön!
Völlig verdattert reiße ich die Glotzaugen auf und starre O Sole Mia an, die ihrerseits – wie es scheint – höchst interessiert auf den CTG-Monitor stiert. Das Dumme ist nur: Es läuft gerade gar kein CTG.
»Hrchhh?«
Ich muss ein bisschen husten – hab mich vor Schreck an der eigenen Spucke verschluckt. Frau von Sinnen, die Babymützchen strickend mit auf der Couch sitzt, klopft mir fürsorglich den Rücken.
»Aber … – woher? Ich meine – seit wann? Und wie …?!«
Nee, ist klar, hat jetzt jeder verstanden, Josephine.
Soli blickt mir nun offen ins Gesicht, grinst freundlich und meint lapidar: »Liebelein – wir sind Hebammen! Schwangerschaft ist unser tägliches Brot. Gerade du solltest das doch am besten wissen!«
Das wird ja immer schöner hier.
»Soll das etwa heißen, ihr wisst alle Bescheid?« Ich glaub es ja nicht!
Frau von Sinnen nickt eifrig zum Takt der klappernden Nadeln. KLICK, Nicken, KLACK, Nicken …
»Aber – warum habt ihr mir das denn nicht gesagt?«
»Dass du schwanger bist? Oh, entschuldige – wir dachten, du wüsstest das schon!« Frau von Sinnen bekommt einen infernalischen Lachkrampf, während Soli mich unschuldig anlächelt. Pfff – alle doof! Beleidigt mache ich mich auf den Weg zu meiner Sonntagmorgen-Visite, während das wiehernde Lachen der beiden Hebammen mich noch bis zur Doppel-Schnappschloss-Ausgangstür begleitet.
Die gynäkologische Station ist gut belegt, und da Fred, der diensthabende Assistent der Vornacht, faul wie immer, kein bisschen von der Visite übernommen hat, bevor er sich heute Morgen in Windeseile vom Acker machte, kann ich nun 30 Zimmer à zwei Frauen ganz alleine aufsuchen. Okay, nicht wirklich alleine:
Bewaffnet mit Kurvenblättern, Verbandswägelchen und Schwester Hildegard im Schlepptau, mache ich mich auf und klappere nacheinander alle
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