Dante Valentine 01 - Teufelsbraut
schlechte Laune. Seine Entscheidung.“
Das gleißende Schweigen des hinter mir stehenden Dämons schwoll an. Fünf Sekunden. Zehn. Fünfzehn.
„Na gut“, sagte der rechte Gorilla. „Der Boss sagt, du sollst rauf in sein Büro kommen.“
Ich nickte und zwängte mich zwischen ihnen durch, den Dämon im Schlepptau. Gemeinsam tauchten wir in eine wirbelnde Migräneattacke aus grellen roten und orangefarbenen Blitzen ein, die von einem unter der Decke hängenden Stroboskop ausgespuckt wurden, in Haschrauch und Alkoholgestank, vermischt mit Schweiß und dem psychischen Angriff eines Schuppens voller in die Musik versunkener und größtenteils tanzender Leute -hier und dort ein Lächeln mit einem Anflug roter Verzweiflung, Rasiermesserschnitte in einen tauben Arm.
Ich war diese Beleidigung meiner Sinne gewohnt und verstärkte meinen mentalen Schutzschild. In den Ecken schwirrten Geistererscheinungen auf und ab, und einige von ihnen schrien lautlos.
Die Leute glauben immer, dass sich, wenn sie sterben, das Meer des Lichts für sie öffnet und sie aufnimmt. Meistens passiert auch genau das. Aber gelegentlich – häufig genug – kann die Seele sich vom Diesseits nicht losreißen. Manchmal ist sie schlicht verwirrt, manchmal hält ein gewaltsamer Tod sie zurück oder die Liebe zu einem Lebenden, und so sammeln sich diese Seelen an all den Orten, an denen auch die Lebenden zusammenkommen, weil hier genügend Psinergie vorhanden ist, um sie zu nähren und mehr als nur ein kalter Seufzer im Nacken, mehr als nur eine Erinnerung sein zu lassen.
In den etwa fünfzig Jahren vor der Verabschiedung des Parapsychogesetzes wurden Psione von Firmen wie Leibeigene ge-und verkauft – sogar Nekromanten. Und noch früher hatte man Nekromanten regelmäßig in Heime gesteckt, oder das, was wir sahen – und nur wir –, hatte uns in den Selbstmord getrieben. Manche -wie Gabes Vorfahren – hatten überlebt, indem sie ihre Begabung verschwiegen und sich anpassten. Andere nahmen einfach an, sie seien verrückt.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, in der ich jeden Einzelnen in seiner von Hasch und rhythmischer Musik bedingten völligen Offenheit wie einen Schlag mit einem gepolsterten Hammer empfand. Das Stück, das gerade lief, war „Celadon Groove“ von Retrophunk.
Wenn ich so eine Menschenmenge mal wieder aushalten könnte, könnte ich mittanzen, dachte ich und verspürte einen stechenden Schmerz. Seit drei Jahren hatte ich nicht mehr getanzt. Seit Jace weg war.
Denk nicht drüber nach. Ich hob den Kopf und ließ den Blick über die Menge schweifen. Wie die meisten Psis mag ich Menschenansammlungen nicht, vor allem nicht solche, die auf Ärger aus oder völlig zugekifft sind. Natürlich hätte ich mich einklinken und die Psinergie anzapfen können, die diese offen zur Schau getragenen Emotionen darboten, aber ich hatte keinen Bedarf. Psis kennen sich gut genug aus, um ihre Gedanken für sich zu behalten, aber die meisten normalen Menschen sind nachlässige Sender und hämmern mit ihrem chaotischen Gemisch aus Sinneseindrücken und Gedanken selbst auf die besten Schutzschilde ein. Es war, als würde man sich durch eine Kolonne mit Gleitern ohne Auspuff bewegen – sogar mit Ohrenschützern spürte man den Krach noch schmerzhaft in Herz und Knochen.
Nein. Vielleicht war es gar nicht die Tanzerei oder die Menge, die mir so zusetzte, vielleicht war es nur mein Herz. Ich hatte mindestens seit einem halben Jahr nicht mehr an Jace gedacht.
Die Menschen auf der Tanzfläche bewegten sich im Rhythmus der Musik. Ich sah Pärchen, die sich eng umschlungen hielten, und in einigen dunklen Nischen weiter hinten klammerten sich Körper aneinander, ohne dass erkennbar gewesen wäre, ob sie sich liebten oder einen Kampf auf Leben und Tod ausfochten. Schwingungen von verzweifeltem Sex erfüllten die Luft. Meine Nasenlöcher weiteten sich, und meine Ringe blitzten auf. Wenn nötig, hätte ich mich in diese Atmosphäre hineinstürzen und die Psinergie für eine hochklassige Arbeit nutzen können. Ich schlängelte mich zwischen zwei durchgestylten, klapperdürren Yuppie-Mädchen hindurch, die so zugekifft waren, dass es schon an ein Wunder grenzte, dass sie noch stehen konnten, und nickte dem Barkeeper zu.
Der Barkeeper, ein magerer, nervöser Mann in einem roten Overall, der lässig eine Zigarette im Mundwinkel hängen hatte, schob den mottenzerfressenen, roten Samtvorhang hinter der Bar beiseite. Die dahinterliegende Sicherheitstür stand
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