Dante Valentine 04 - Suendenpfuhl
meinen Ohren wider wie der Rhythmus einer Trommel.
Plötzlich machte es klick in meinem Kopf. Ich blickte auf ihre Füße, dann auf den Kiesweg. Sah zum Haus zurück. Sie musste über den Rasen gelaufen sein, barfuß und in höchster Eile. Warum?
Der Teil von mir, der schon so viele Tatorte gesehen hatte, setzte sich in Gang wie ein altmodisches Getriebe, und ich wusste: Schon bald werde ich das hier fühlen können. M)er vorher muss ich nachdenken. Denk nach, Danny. Denk nach.
Ich untersuchte die Schusswinkel anhand der Spuren, die die Kugeln hinterlassen hatten: zerfetzte Pflanzen und Furchen in der feuchten Erde. Die Ausdünstungen des Todes vermischten sich mit dem Duft des grünen Gartens und dem Geruch frisch aufgewühlter Erde. Der Computer in meinem Kopf schaltete sich ein, berechnete Winkel und Wunden und spuckte schließlich die Antwort aus. Ich warf einen Blick über die rechte Schulter hinauf zur Wand, auf einen Punkt etwa sechs Meter weiter oben. Dort war ein Dachvorsprung, ein idealer Ort für ein Projektilsturmgewehr.
Wieso lag sie immer noch hier? Wenn so viel heißes Blei durch die Luft flog, hätte eigentlich jemand die Bullen rufen müssen. Irgendjemand hätte etwas hören müssen. Etwas unternehmen müssen, insbesondere in diesem Viertel.
Warum war Gabe in den Garten hinausgelaufen? Die Sicherheitssysteme an ihren Grundstücksgrenzen waren zerrissen und die am Haus vibrierten, vermutlich infolge des psychischen Schocks, den sie bei Gabes Tod erlitten hatten. Ich war Nekromantin, und da stand ich nun mit einer frischen Leiche – aber wenn ich jetzt in das Reich des Todes ging, würde ich vielleicht nicht mehr zurückkehren. Ich war zu müde, zu abgelenkt und viel zu aufgewühlt. Und obendrein würde Japhrimel die Aufgabe übernehmen müssen, Gabe zu befragen. Vielleicht würden ihm nicht die richtigen Fragen einfallen, um den Ablauf des Verbrechens zu rekonstruieren. Es gab Regeln, wie man die Toten zu befragen hatte, Regeln, die er vielleicht genauso wenig kannte wie ich die undurchschaubaren Gesetze dämonischer Etikette.
Darüber hinaus sträubte sich tief in mir alles bei dem Gedanken, Gabes Leichnam auferstehen zu lassen. Sie war in das Reich des Todes gegangen, in die Säle, die sie schon so oft betreten hatte, hinein in das helle Licht dessen, was als Nächstes kommt. Wenn es auf der Welt so etwas wie Gerechtigkeit gab, musste sie jetzt bei Eddie sein. Ich wollte sie nicht von ihm wegzerren.
Gib’s doch zu, Danny. Du hast Angst, ihr unter die Augen zu treten, weil du sie schon wieder im Stich gelassen hast.
Mein Leben lang hatte ich immer wieder versagt. Ich sah die lange Liste der Toten vor mir, die ich geliebt hatte: Roanna. Lewis. Doreen. Jace. Eddie. Und jetzt konnte ich der Liste einen weiteren Namen hinzufügen: Gabe.
Vor Verzweiflung hätte ich am liebsten laut geschrien, aber eine eiserne, eiskalte Faust schloss sich um mein Herz und erstickte den Schrei. Kälte durchflutete mich, ähnlich der lähmenden Kälte, die mit einem Schockzustand einhergeht, nur viel intensiver. Eine mörderische Kälte, wie geschliffenes Eis, scharf wie mein Katana und tödlich wie der Dämon, der neben mir stand.
Gabriele. Das Versprechen, das ich ihr gegeben hatte, hallte wie ein Messinggong in meinem Kopf wider.
Diejenigen, die das getan haben, werde ich nicht einfach nur umbringen. Ich werde sie auslöschen. Ich schwöre bei allen Göttern, die je gelebt haben, dafür werde ich sie büßen lassen.
„Dante“, sagte Japhrimel leise. „Es tut mir leid.“
Lautlos bewegte ich die Lippen. Am liebsten hätte ich einen Schrei ausgestoßen. Doch dann klappten meine Kiefer hörbar aufeinander. Die Luft, die ich mühsam in die Lungen sog, roch nach frischer Erde und brannte mir in der Kehle. Ich bekam einen Krampf in der rechten Hand, in der ich das Katana hielt, der aber gleich wieder nachließ. Ich schob das Schwert durch die Schlaufe meines Rüstzeugs. Betrachtete Gabes steifen Körper.
Fort. Das Wort hallte in meinem Kopf nach. Fort.
Wieder hatte ich versagt.
Das Messer glitt aus der Scheide. Japhrimel warf mir einen abschätzenden Blick zu, als würde er abwägen, ob ich es gegen ihn zum Einsatz bringen wollte. Ich setzte es an meinem Handteller an, schnitt mit einer ungelenken Bewegung hinein und ließ die Klinge, die jetzt von schwarzem Blut dampfte, zu Boden fallen.
Ich ballte die Hand zur Faust. Schwarzes Blut tropfte zwischen meinen Fingern hervor. Ich drückte so fest zu, dass
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