Dante Valentine 04 - Suendenpfuhl
Wenn ich mich recht erinnerte, nannte man sie früher Traganten oder Spitzkiele. Sie waren giftig, und es war illegal, sie zu züchten, außer man war ein zugelassener Skinlin oder Sedayeen.
„Stechäpfel“, flüsterte ich. „Was zum Teufel hat Eddie entdeckt?“
Hinter uns schloss sich die Tür, und ich wandte mich den beiden zu. Das Mal an meiner Schulter ließ meinen Arm kribbeln, eine angenehme Abwechslung zur gefühllosen Kälte. Ich zügelte den Drang, mir die Narbenstränge von der Haut zu nibbeln, die mir Japhrimel eingebrannt hatte.
„Cam? Erzählst du es ihr?“
Die Schamanin schüttelte den Kopf, antwortete aber dennoch. Selbst durch ihren scharfen Geruch von Magik drang der Gestank der Angst, was ich durchaus verstehen konnte. An ihrer Stelle wäre es mir nicht anders gegangen. „Ich habe mit Eddie zusammengearbeitet. Mercy ebenso. Wir wollten ein Schmerzmittel auf Alkaloidbasis für Pico-PhizePharm entwickeln.“ Sie holte tief Luft, dann sah sie mich direkt an. Unter ihren Bernsteinaugen lagen dicke, dunkle Ringe. „Was wir entdeckt haben, ist ein absolut unfehlbares Heilmittel gegen Chill.“
20
Mir klappte nicht gerade der Kiefer nach unten, aber viel fehlte nicht. „Es gibt kein Heilmittel gegen Chill.“ Ich hörte mich an, als hätte mir jemand sämtliche Luft aus dem Leib geprügelt. Schon wieder einmal. In letzter Zeit häufte sich das.
Von Clonnen-13 wurde man schon beim ersten Gebrauch süchtig, es war die schlimmste Droge überhaupt. Die Polizei der Hegemonie focht einen ausweglosen Kampf, nicht nur gegen das Chill selbst, sondern auch gegen die Gewalt, die damit einherging. Chill-Junkies waren buchstäblich zu allem fähig, um an den nächsten Schuss zu kommen, und das Ausmaß, in dem Chill jegliche Hemmschwelle senkt und Psychosen auslöst, ist schlichtweg eine Katastrophe. Chill-Junkies sind wie Schwämme, sie kennen weder Schmerzen noch Erschöpfung. Das Einzige, was sie im Endstadium noch empfinden, ist das Verlangen.
Anders als bei Hasch können sogar Psione von Chill abhängig werden. Angeblich übertrifft das Hochgefühl sogar das der Arbeit an einem magitechnischen Wunderwerk. Das Problem dabei ist nur, dass es einen Psion von innen heraus auffrisst, seine Schutzschilde und die Kontrolle über seine Psinergie aufzehrt. Psione, die zum Chill-Junkie geworden sind, stellen eine tödliche Gefahr dar, wenn man sich nicht vorsieht, nicht nur wegen des völligen Fehlens jeglicher Hemmungen, sondern weil sie auf einer psionischen Ebene explodieren können. Sie sind das magische Gegenstück zu einer wandelnden Wasserstoffbombe.
Die großen, breiten Blätter der Pflanzen bewegten sich unschuldig hin und her. Sie sahen gesund aus – offenbar waren sie erst kürzlich ausgegraben worden. Eddie war ein verdammt guter Skinlin. Gewesen. „Kein Heilmittel“, wiederholte ich langsam. „Deshalb ist es ja so profit … oh. Oh!“
Deshalb ist es ja so verdammt profitabel. Hatte man jemanden erst mal am Haken, konnte man ihm alles abknöpfen, was er besaß und was er zusammenstehlen konnte. Es gab keine Heilungschancen für Chill-Abhängigkeit. Eine Entziehungskur war mit beinahe ebenso großer Sicherheit tödlich wie die Sucht selbst. Ein Wundermittel wäre ein Vermögen wert – und würde die Gewinnspannen der Mafia weltweit drastisch senken.
Mein Herz machte einen Riesensatz. „Wer hat davon gewusst? Wer?“ Ich schrie so laut, dass die Blätter raschelten, die Becher klirrten und die Fliesen vernehmlich murrten.
„Von Pico-Phize noch niemand. Zumindest glaubten wir das. Massadie, unser Kontaktmann, könnte eine der Proben gestohlen haben. Eddie hatte fünf davon.“ Mercy verschränkte die Anne vor ihrer Hühnerbrust. Hier im Licht der Vollspektrallampen sah ich die Schatten der Schlaflosigkeit unter ihren Augen und an ihren Mundwinkeln. Mich wunderte das kein bisschen. Sedayeen sind nicht so leicht zu ängstigen. Sie verfügen über eine gewisse genetische Veranlagung dazu, innerlich ruhig zu bleiben, die fast an Wahnsinn grenzt und die durch ihre Ausbildung noch verstärkt wird. Aber nicht einmal eine Heilerin würde bei einer Geschichte wie dieser noch ruhig schlafen können.
Man darf auch nicht vergessen, dass sie einer Halbdämonin gegenüberstand, die offenkundig selbst vor Mord nicht zurückschreckte. Es war ohnehin ein Wunder, dass sie nicht längst kreischend auf die Straße gerannt war.
„Vier hatte er zu Hause aufbewahrt“, sagte ich wie betäubt.
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