Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
Gefahr in ihm, doch das war Danyel einerlei,
denn nur er musste es richtig finden, Kilian bei sich zu behalten. Nur seine
Meinung zählte und er hatte sich geschworen, wenn Dafour es noch einmal wagte,
Einwände zu erheben, dann würde er ihm eigenhändig die Zunge herausreißen.
Danyel befand, dieser tief sitzende Egoismus wäre seine einzige menschliche
Eigenschaft. Eine, die ihm noch nicht geschadet hatte, ganz im Gegenteil … und
von Dafour würde er sich keinesfalls beeinflussen lassen! Die Frechheit, an
seinem Urteilsvermögen zu zweifeln, verzieh Danyel ihm nicht leichtfertig. Es
war lange her, dass er Dafour hatte in die Schranken weisen müssen. Es schien,
als stünde der Herr der Boten nicht mehr vollkommen loyal hinter Danyel. Ein
Punkt, der Aufmerksamkeit verlangte und notfalls Konsequenzen haben würde.
Danyel bemerkte nicht, dass er die Zähne
aufeinandergebissen und die Feder fest umklammert hatte.
„Die Zeit! Die Zeit!“, flüsterten ihm zwei raue
Stimmen zu. Eine hell, eine dunkel. Pajlin und Teghre. Seine steten Begleiter,
die nur er ansah und die nicht viel sprachen. Selbst Dafour wagte es nicht, den
beiden ins Gesicht zu sehen, dabei kannte er sie ebenso lange, wie Danyel.
„Ich weiß“, brummte Danyel und beschrieb
wahllos die Pergamente. Namen und Daten interessierten ihn nicht. Die Sprache
wechselte er automatisch, ohne darüber nachdenken zu müssen. Mechanisch und bar
jeglichen Gefühls füllte er die Papiere aus, nahm die nimmermüden, schwebenden
Schreibfedern zu Hilfe, die an der hinteren Wand die Papiere beschrifteten, und
holte rasch auf. Als sein Tintenfässchen sich leerte, hatte er einen Großteil
erledigt – zumindest für diese Stunde. Danyel öffnete die Schublade, um ein
neues Fass hervorzuholen und hielt inne. Sein spezieller Füller lag nicht so,
wie er ihn hingelegt hatte. Gefüllt mit seinem Blut als Tinte, erneuert alle
vierundzwanzig Stunden, besaß dieser Füller die Macht, die festgelegte Lebenszeit
zu ändern.
Danyel sah zu Pajlin und Teghre, deren Tisch an
der Wand ihm gegenüber stand. „Wer war an meinem Tisch?“
Pajlin hob den Kopf und das milchige Gesicht
wurde unter der großen Kapuze sichtbar. „Nur du und Dafour. Niemand sonst“, gab
sie Auskunft. Die raue Stimme schallte leise zu ihm, nur ein Flüstern, nicht
mehr als ein Hauch.
„War Dafour an der Schublade, als ich nicht
hier war?“
„Ja, er hat neue Tintenfässer hineingestellt.
Ich hörte es klirren, als die Gläser zusammenstießen.“
Pajlin wandte sich wieder den Pergamenten zu
und Danyel verkniff sich die Frage, ob sie ihn dabei beobachtet hatte. Wahrlich
hatte sie dies getan, doch mehr mit den Sinnen, als mit den Augen. Blind und
doch alles sehend, mit Augen, die schön und erschreckend zugleich waren.
Er gab sich mit der Auskunft zufrieden.
Womöglich war Dafour gegen den Füller gestoßen, als er die Tinte nachfüllte.
Jede andere Variante wollte er nicht wahrhaben, vorerst. Auch wenn er Dafour im
Augenblick mangelnde Loyalität unterstellte, einen Verrat traute er ihm nicht
zu.
Danyel verbrachte die ganze Nacht am
Schreibtisch. Im Morgengrauen sah er nach seinem Gast, der noch fest schlief.
Ein Punkt, den er an den Menschen nicht mochte. Die schwachen Körper waren
angewiesen auf diese Auszeit. Überhaupt waren die mannigfaltigen Schwächen der
Menschen etwas, was ihn schließlich dazu gebracht hatte, sie langweilig zu
finden. Den einen oder anderen hatte er auch schon vor die Tür gesetzt und die
Bitte nach einem Handel mit Verachtung abgelehnt.
Manche Tiere oder Pflanzen waren interessanter
für ihn, als die Spezies Mensch – mit Ausnahme von dem einen Exemplar, das vor
ihm lag. Er verstand nicht, weshalb sich Kilian auf den Handel eingelassen
hatte. Ein hoher Preis für ein wenig Zeit, die am Ende doch nichts verändern
würde. Der Tod traf jeden. Was machte es da für einen Unterschied, ob das
früher oder später wäre? Das geänderte Pergament brachte nicht die Sicherheit,
dass Kilians Schwester tatsächlich alt werden würde. Es passierte zu viel in
der Welt, was nicht kalkulierbar war. Danyel war es gleich. Für ihn war der
Preis akzeptabel und durchaus lohnenswert.
Er hatte schon gegen vieles getauscht – unter
anderem sah seine Unterkunft nur deshalb so aus, weil die Menschen Leistung
gegen Zeit getauscht hatten – doch dieser Handel war selbst für ihn etwas
Neues. Sicherlich hatte er sich schon mit Naturalien bezahlen lassen,
wenn man es genau nahm. Aber ein
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