Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
Gespräch mit seiner Mutter setzte ihm zu. Seine Mutter, die diese Nacht,
nach seinem Geständnis, alleine verbringen würde, weil Monja bei einer Freundin
war.
Am Liebsten wäre er durch den Hörer gekrochen,
um ihr klarzumachen, dass, egal was sie auch sagte, der Handel unumkehrbar war,
und sie sich mit den vollendeten Tatsachen abfinden musste. Es hatte ihn
aufgewühlt, ihre Stimme zu hören, die Vorwürfe und die Traurigkeit darin. Er
wusste, dass es so sein würde, dass sie nicht freudestrahlend jubeln könnte …
im Grunde erschien es ihr noch immer unfair, denn sie war gezwungen, eines
ihrer Kinder zu Grabe zu tragen.
Dann die Sache mit Danyel. Etwas verband sie,
was nicht nur mit sexueller Anziehung zu erklären war. Weshalb sonst reizte es
Kilian, das Schicksal mit Widerworten zu provozieren? Weshalb sonst drohte
Danyel zwar mit Konsequenzen, machte sie aber nicht wahr? Warum umsorgte er
ihn, statt ihn wegen des Fehlgriffs mit Verachtung zu strafen? Für den Mann,
der für die Verhandlung gekommen war, hatte Danyel sehr deutliche Verachtung
gezeigt, als er ihn mit angewidertem Blick des Hauses verwies. Es schien, als
habe er für die Menschen nicht viel übrig. Auch am Anfang ihres Gesprächs war
Danyel abweisend erschienen, als wäre Kilian nicht mehr, als eine lästige
Fliege gewesen. Bis zu dem Punkt, als er ihn unerlaubt berührt hatte … Das war
es! Plötzlich war Kilian überzeugt, dass, was auch immer er in Danyel auslöste,
nichts mit dessen Alltag zu tun hatte. Spürte der die Berührung ihrer Haut ebenfalls
so brennend, wie er selbst es tat? Gab es eine Verbindung zwischen ihnen, die
über jede rationale Erklärung hinausging? Wenn ja, und ein Funken Hoffnung
stieg in ihm auf, würde Danyel ihn dann vielleicht gehen lassen? Bliebe sein
Pergament unverändert, sodass er ‚planmäßig‘ starb?
Aufgeregt stand er vom Sessel auf und streckte
sich. Vom langen Sitzen tat ihm schon der Hintern weh. Mit dem Vorsatz, Danyel
nach und nach auf den Zahn zu fühlen, lief er lächelnd den Korridor entlang.
Aus heiterem Himmel packte ihn jemand und er wurde gegen die Wand gedrückt.
Dafour!
Kilian erstarrte, als er in das Gesicht des
Weißhaarigen blickte. Die roten Augen strahlten solche Bösartigkeit aus, dass
Kilian augenblicklich fröstelte.
„Habe ich dich nicht gewarnt?“, grollte er.
„Was soll das?“ Kilians Stimme war kaum mehr
als ein Flüstern.
„Steck deine Nase nicht in Angelegenheiten, die
dich nichts angehen!“
„Tu ich nicht …“, entgegnete er matt.
„Nein? Weißt du, am besten wird sein, du nimmst
dein Zeug und siehst zu, dass du verschwindest! Handel hin oder her. Du hast
hier nichts zu suchen“, fauchte Dafour ihn an.
Kilian verstand nicht, was der von ihm wollte,
oder was er getan haben sollte, um dessen Wut heraufbeschworen zu haben. Er
versuchte sich etwas zu lösen und straffte die Schultern.
„Ich mag in deinen Augen ein kleiner Mensch
sein, aber eines lass dir gesagt sein. Ich stehe zu meinem Wort! Ich habe
Danyel ein Versprechen gegeben und ich habe nicht vor, es zu brechen“, sagte er
deutlich, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug.
Dafour kniff die Augen zusammen und stieß
Kilian hart und ruckartig von sich. Er prallte mit dem Hinterkopf gegen die
Wand und keuchte stöhnend auf, als der Schmerz in seinem Kopf explodierte.
Schwindel erfasste ihn. Als er sich wieder gesammelt hatte, war er allein auf
dem Gang. Langsam rappelte er sich auf und rieb über die schmerzende Stelle. Er
hatte keine Ahnung, womit er die Wut des Kerls auf sich gezogen haben könnte.
Die einzige sinnvolle Erklärung, die er sich auf dem Rückweg zurechtlegte, war
logisch und verwirrend zugleich. Dafour musste eifersüchtig sein. Ertrug er es
nicht, dass ein Mensch Danyels Aufmerksamkeit erlangt hatte? Hatte er womöglich
selbst Interesse an ihm oder dachte er, Kilian würde zwischen ihnen stehen? Er
ahnte, dass die beiden schon sehr lange zusammen … ja was? Arbeiteten? Waren
sie Freunde oder Herr und Untergebener?
Als er das Hauptgebäude betrat und erneut
bedauerte, dass dieses Kirchengebäude nichts mehr von dem Charme besaß, den es
einst innehatte, versuchte er locker zu wirken. Er wollte sich nicht anmerken
lassen, dass er mit Dafour aneinandergeraten war. Er wusste einfach zu wenig darüber,
wie Danyel und der Herr der Boten miteinander in Verbindung standen. Außerdem
ahnte er, dass, wenn er Danyel von dem Übergriff erzählte, sich die Situation
mit Dafour bestimmt nicht
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