Daphne - sTdH 4
aufzuhalten.
Ich bin überzeugt davon, daß Ihr Vater sich sehr freuen würde, wenn er sie
zurückbekäme.«
»O ja,
davon bin ich auch überzeugt«, sagte Daphne begeistert. Dann bemühte sie sich,
ihre übliche ruhige Miene aufzusetzen, aber irgendwie gelang es ihr nicht
recht. Sie spürte, wie ihr ganzer Körper vor Lebendigkeit prickelte.
Die Tür
ging auf, und eine feingemachte Annabelle erschien in einem leuchtend rosa
Seidengewand, das viele Schleifchen schmückten.
»Es ist zu
schade!« rief sie. »Der kleine Charles schläft wie ein Engel, und ich wage
nicht, ihn zu wecken.«
»Ich werde
zweifellos ein anderes Mal das Vergnügen haben, Ihren Sohn zu sehen, Lady
Brabington«, sagte Mr. Garfield. »Und jetzt, wenn Sie soweit sind, Miss Daphne
...?«
»Sie wollen
schon gehen?« fragte Annabelle und fächelte sich dabei mit einem hübschen
Fächer Kühlung zu, über dessen Rand hinweg sie mit ihren großen blauen Augen
kokettierte. »Es ist so heiß hier drinnen. Ich sehne mich nach frischer Luft.
Die Luft im Hyde Park würde mir sicherlich sehr guttun.«
»Im
Gegenteil, ich fürchte, es gibt Regen«, lächelte Mr. Garfield. »Aber Miss
Daphne ist das Landleben noch so gewohnt, daß sie den Unbilden der rauhen
Witterung standhalten wird, was für mich ein Glück ist. Ihr Gatte wird
zweifellos bald zurück sein...«
»O Gott!
Brabington ist heute aufs Land gegangen.«
»Dann
sollten Sie ihm dahin folgen«, riet Mr. Garfield und nahm Daphnes Stola und
Sonnenschirm. »Die frische Luft würde Ihnen und Ihrem Kind sehr guttun.«
Er
scheuchte Daphne geradezu aus dem Zimmer.
»Ich habe
mir gedacht, daß es am besten ist, zu Fuß zu gehen«, sagte Mr. Garfield, als
sie vor dem Haus standen.
Daphne nahm
den Arm, den er ihr hinhielt. Sie fragte sich, ob sie sich für das sonderbare
Benehmen ihrer Mutter und ihrer Schwester entschuldigen sollte. Sie hatten
sich Mr. Garfield praktisch an den Hals geworfen.
Die Luft
war stickig und feucht, und der Himmel schien sich von Minute zu Minute zu
verdunkeln.
Mr.
Garfield kämpfte sich mit seinen breiten Schultern durch die Menge und sicherte
sich einen Platz in der ersten Reihe.
Zwischen
den Bäumen hingen schlaff bunte Fahnen, und eine erhitzt aussehende Kapelle
spielte feurige Militärmärsche.
Dann
begannen die Trommeln der einzelnen Truppengattungen zu schlagen und riefen die
Freiwilligen und die, die Parade abnahmen, auf das Feld.
Die
Parkwege waren voller eleganter Damen, die von ihren Beaus begleitet wurden. Es
waren so viele Leute gekommen, daß es, um ein größeres Gedränge zu vermeiden,
ratsam schien, die Tore zu verschließen, als der Prince of Wales eingetroffen
war.
Die
leuchtenden Farben stachen gegen die immer dunkler werdende Parklandschaft
deutlich ab. Es gab Uniformen jeder Schattierung. Die Honourable and Ancient
Artillery Company trug Blau mit Scharlachrot und Goldbesatz, Lackgürtel und
schwarze Reithosen. Die Bloomsbury and Inns of Court Volunteers waren in
Scharlachrot mit gelbem Besatz, weiße Westen und schwarze Reithosen gekleidet.
Die Volunteers Rifles hatten grüne Uniformen.
Daphne war
freudig erregt, weil sie zum ersten Mal den Prince of Wales sah. Anderen mochte
er grobschlächtig erscheinen, aber für Daphne war jeder Zoll seiner kräftigen
Gestalt königlich.
Die
Freiwilligen waren eine nützliche Vereinigung. Sie dienten als Polizei und
hielten an Nationalfeiertagen und am Thanksgiving Day ihren feierlichen Einzug
in die Kirche als Vertreter der nationalen Partei. Vor mehr als zehn Jahren
waren sie auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes, als allgemein eine Invasion von
Napoleon Bonaparte befürchtet wurde.
Obwohl ihre
Anzahl nicht mehr so bedeutend war, waren sie immer noch bei hoch und niedrig
ausgesprochen populär, jeder wünschte, dabeizusein, eine Begeisterung, die der
Prinzregent teilte, der so oft aktiv werden wollte, es aber nie durfte. Ein
großer, warmer Regentropfen platschte auf Daphnes Nase, und sie blickte besorgt
zum Himmel auf. Die Wolken waren purpurrot und hingen so tief
herab, daß sie auf den Bäumen zu liegen schienen. Ganz in der Nähe grollte
bereits der Donner.
Da blitzte
es gewaltig. Die Gesichter hoben sich weiß ab, die Farben leuchteten kräftig.
Dann wurde der Park in Dunkelheit getaucht, als der Regen mit Urgewalt
herabprasselte.
An Flucht
war nicht zu denken. Die Parktore waren versperrt, und der Prinzregent nahm
immer noch die Parade ab. Mr. Garfield hielt Daphnes Sonnenschirm über ihre
beiden
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