Darf's ein Küsschen mehr sein?
Wahrscheinlich hatten sie schon Schlimmeres gehört. Dann sah sie Adele an, die erwartungsvoll den Kopf schief gelegt hatte.
»Was ist?«, fragte Maddie.
»Ich weiß, dass du schon abartige Techniken ausprobiert hast.«
Meist hatte Maddie nur eine große Klappe. »Verkleidet hab ich mich noch nie.« Sie überlegte kurz, bevor sie in dem Bemühen, Adele zu beschwichtigen, gestand: »Aber wenn du dich dann besser fühlst, ich hab mich schon mal fesseln lassen.«
»Ich auch.«
»Klar.«
»Wahnsinn!« Adele wirkte ganz und gar nicht beschwichtigt. » Jeder hat sich schon mal fesseln lassen.«
»Stimmt«, pflichtete Nan, die Näherin, ihr bei. Sie zupfte eine Nadel aus dem Nadelkissen an ihrem Handgelenk und warf Adele einen verschwörerischen Blick zu. »Aber wenn
Sie sich dann besser fühlen, ich verkleide mich ab und zu als Rotkäppchen.«
»Danke, Nan.«
»Keine Ursache. Bitte mal umdrehen.«
Als die Brautjungfern mit den Anproben fertig waren, fuhren die vier Freundinnen zum Mittagessen in ihr Lieblingsrestaurant. Das Café Olé bot zwar nicht das beste mexikanische Essen in der Stadt, dafür aber die besten Margaritas. Sie wurden zu einer ihrer Lieblingsnischen geführt und tauschten zu säuselnder Mariachi-Musik Neuigkeiten aus. Sie quatschten über Clares Hochzeit und über Lucys Pläne, mit ihrem Adonis von Ehemann eine Familie zu gründen. Und natürlich wollten sie alles über Maddies Leben hundertsechzig Kilometer weiter nördlich in Truly wissen.
»Es ist gar nicht so schlimm, wie ich dachte«, bekannte sie, während sie ihren Drink an die Lippen führte. »Es ist sehr schön und ruhig dort – außer am Vierten Juli. Die Hälfte der Frauen in der Stadt hat echt schreckliche Haare, und die andere Hälfte sieht super aus. Ich überlege, ob es ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen sein könnte, bin aber noch zu keinem Ergebnis gekommen.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich dachte, ich würde durchdrehen, wenn ich den ganzen Tag in meinem Haus eingesperrt bin, aber bisher war das nicht der Fall.«
»Du weißt ja, dass ich dich lieb hab«, meinte Lucy, worauf grundsätzlich ein Aber folgte. »Aber du bist sowieso schon total durchgedreht.«
Das stimmte wahrscheinlich.
»Wie geht’s mit dem Buch voran?«, erkundigte sich Clare, als die Kellnerin das Essen brachte.
»Schleppend.« Maddie hatte sich eine Tostada mit Hühnchensalat bestellt und schnappte sich ihre Gabel. Sie hatte ihren Freundinnen erst vor wenigen Wochen erzählt, dass sie über den Tod ihrer Mutter schreiben wollte, lange nachdem sie die Tagebücher gefunden und sich das Haus in Truly gekauft hatte. Sie wusste selbst nicht, warum sie so lange damit gewartet hatte. Normalerweise hatte sie keinerlei Hemmungen, die intimen Details ihres Privatlebens mit ihren Freundinnen zu teilen, manchmal zu deren großem Entsetzen, doch nach der Lektüre der Tagebücher ihrer Mutter war sie so verletzlich gewesen, dass sie Zeit gebraucht hatte, um das alles zu verarbeiten, bevor sie mit jemandem darüber sprach.
»Hast du die Hennessys schon kennengelernt?«, fragte Adele, während sie über eine Enchilada mit Sauerrahm herfiel, die vor Käse nur so triefte. Adele trainierte jeden Tag und konnte futtern, was sie wollte. Maddie hingegen hasste Sport.
»Ich hab Mick und seinen Neffen Travis kennengelernt.«
»Wie hat Mick darauf reagiert, dass du das Buch schreibst?«
»Tja, er weiß es nicht.« Sie kaute einen Happen Salat und fügte hinzu: »Es war noch nicht der richtige Zeitpunkt, mit ihm darüber zu reden.«
»Aha.« Lucy zog irritiert die Augenbrauen zusammen. »Und worüber habt ihr sonst geredet?«
Dass sie sich beide nicht vorstellen konnten, in den Hafen der Ehe einzulaufen, und dass er ihren Hintern und ihren Duft scharf fand. »Hauptsächlich über Mäuse.« Was ja irgendwie auch stimmte.
»Moment mal.« Adele hob die Hand. »Er weiß, wer du
bist und wer deine Mutter war, und will nur über Mäuse quatschen?«
»Ich hab ihm nicht gesagt, wer ich bin.« Ihre drei Freundinnen erstarrten und sahen sie entgeistert an. »Wenn er gerade in seiner Kneipe schuftet oder wenn alle um einen Grill rumstehen, ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, zu ihm zu gehen und zu sagen: ›Ich heiße Maddie Jones, und Ihre Mutter hat meine umgebracht!‹« Ihre Freundinnen nickten zustimmend und widmeten sich wieder ihrem Essen. »Und gestern war es insgesamt ein schlechtes Timing. Ich hatte einen echten
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