Darf's ein Küsschen mehr sein?
setzte sie auf, um die Wut in seinen blauen Augen zu verbergen. »Aber halt dich von mir fern«, warnte er sie und ließ die Tür los. »Und lass gefälligst meine Familie in Ruhe.«
Maddie knallte die Tür zu und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Verdammt! Das war nicht gut gelaufen. Er war wütend gewesen. Sie war stinksauer geworden. Verflucht, das war sie immer noch.
Sie hörte, wie er den Truck anließ, und verriegelte aus Gewohnheit die Tür. Sie brauchte weder ihn noch seine Familie, um das Buch zu schreiben, aber nüchtern betrachtet wäre es schön, wenn sie kooperierten. Vor allem, weil sie sich noch in das Leben von Loch und Rose einarbeiten musste.
»Tja, dumm gelaufen«, murmelte sie und lief ins Wohnzimmer. Jetzt musste sie das Buch ohne ihre Hilfe schreiben. Auf dem Couchtisch stand das Foto ihrer Mutter. Sie war so jung und voller Träume gewesen. Maddie nahm das Bild in die Hand und strich zärtlich über das Glas. Es hatte die ganze Zeit auf dem Tisch gestanden, und es war Mick nicht mal aufgefallen.
Sie hatte ja vorgehabt, ihm zu beichten, dass sie mehr war als nur eine Autorin, die ein Buch schreiben wollte. Dass seine
Mutter auch sie zur Waise gemacht hatte. Doch jetzt wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben, und wer sie wirklich war, schien einfach keine Rolle mehr zu spielen.
Mick hielt mit seinem Truck vor dem Shore View Diner, wo Meg fünf Tage in der Woche als Kellnerin arbeitete und Trinkgeld kassierte. Er war immer noch so wütend, dass er am liebsten auf etwas oder jemanden eingeprügelt hätte. Oder Maddie Dupree an den Schultern gepackt und so lange durchgeschüttelt hätte, bis sie einwilligte, ihre Sachen zu packen und abzuhauen. Zu vergessen, dass sie je von den Hennessys und ihrem verpfuschten Leben gehört hatte. Doch sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie bleiben würde, und jetzt musste er es Meg erzählen, bevor sie es von jemand anderem erfuhr.
Er schaltete den Truck aus und lehnte den Kopf nach hinten. Seine Mutter hatte seinem Vater beim Sterben zugesehen? Das hatte er nicht gewusst, und am liebsten wüsste er es jetzt auch nicht. Wie konnte er die Frau, die zwei Menschen getötet hatte, mit der Mutter in Einklang bringen, die ihm Sandwiches mit Erdnussbutter und Erdbeergelee geschmiert hatte, die Krusten abgeschnitten und das Brot schräg durchgeschnitten hatte, genau wie er es mochte? Die liebevolle Mutter, die ihn gebadet, ihm die Haare gewaschen und ihn abends zugedeckt hatte, mit der Frau, die Fußabdrücke mit dem Blut ihres Ehemannes überall in seiner Bar hinterlassen hatte? Wie konnte das dieselbe Frau sein?
Er rieb sich das Gesicht und fuhr mit den Fingern unter die Sonnenbrille, um sich die Augen zu reiben. Er war so verdammt müde. Nachdem Jewel ihm Maddies Visitenkarte
gegeben hatte, war er in sein Büro im Hennessy’s gefahren und hatte sich eingeschlossen. Er hatte im Internet nach Informationen über Maddie gesucht und eine Menge gefunden: fünf veröffentlichte Bücher, Porträts und Fotos von ihr bei Signierstunden. Es bestand kein Zweifel daran, dass die Maddie Dupree, die er hatte besser kennenlernen wollen, dieselbe Frau war, die über psychotische Killer schrieb. Die Madeline Dupree, die in der Stadt war, um über die Nacht zu schreiben, in der seine Mutter seinen Vater umgebracht hatte. Er schwang die Tür des Trucks auf und stieg aus. Und er konnte verdammt noch mal nichts tun, um sie davon abzuhalten.
Solange er denken konnte, hatte das Shore View Diner immer gleich gerochen. Nach Fett, Eiern und Tabak. Das Diner war einer der letzten Zufluchtsorte in Amerika, wo man in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken und sich dazu eine Camel oder Lucky Strike anstecken konnte, je nachdem, womit man sich vergiften wollte. Deshalb kamen die Raucher in Scharen. Mick hatte versucht, Meg zu überreden, irgendwo zu arbeiten, wo sie nicht so leicht durchs Passivrauchen Lungenkrebs kriegen würde, doch sie hatte darauf beharrt, dass das Trinkgeld dort zu gut war, um zu kündigen.
Als Mick eintrat, war es gegen vierzehn Uhr, und das Diner war halb leer. Meg stand hinter dem Tresen, schenkte Lloyd Brunner Kaffee nach und lachte über eine Bemerkung von ihm. Sie hatte ihr schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und trug eine knallpinke Bluse unter der weißen Schürze. Sie blickte auf und winkte ihm zu.
»Hallo. Hast du Hunger?«, fragte sie.
»Nein.« Er setzte sich an den Tresen und schob sich seine
Sonnenbrille auf die Stirn.
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