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Darf's ein Küsschen mehr sein?

Titel: Darf's ein Küsschen mehr sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Gibson
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ob sie mit mir sprechen will oder nicht.«
    Er tigerte zur Verandatür und schaute auf die Terrasse und auf den See hinaus. Das Licht der Sofalampe umschmeichelte seine Schulter und sein Profil. »Sie mag zwar älter sein, aber man weiß nicht immer so genau, wie sie reagiert.« Er schwieg eine Weile, dann wandte er den Kopf und sah sie an. Seine Stimme veränderte sich. Der Befehlston war verschwunden, als er fragte: »Woher weißt du, dass die Fußabdrücke meiner Mutter in jener Nacht überall in der Bar verteilt waren? Steht das im Polizeibericht?«
    Maddie stand langsam auf. »Ja.«
    Seine nächste Frage hörte sie kaum. »Was noch?«
    »Es gibt Fotos von ihren Fußabdrücken.«
    »Herrgott, noch mal.« Er schüttelte den Kopf. »Ich meinte, was stand sonst noch in dem Bericht?«

    »Das Übliche. Alles, von der Ankunftszeit bis hin zur Position der Leichen.«
    »Wie lange hat mein Vater noch gelebt?«
    »Etwa zehn Minuten.«
    Er verlagerte sein Gewicht auf einen Fuß und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. Nach sekundenlangem Schweigen meinte er: »Sie hätte einen Krankenwagen rufen und ihm vielleicht das Leben retten können.«
    »Das hätte sie.«
    Aus der kurzen Entfernung sah er sie an. Sie konnte in seinen Augen lesen, wie sehr ihn das emotional berührte. »Zehn Minuten sind eine lange Zeit, um seinem Ehemann dabei zuzusehen, wie er leidet und langsam verblutet.«
    Sie trat ein paar Schritte auf ihn zu. »Ja.«
    »Wer hat die Polizei gerufen?«
    »Deine Mutter. Kurz bevor sie sich selbst erschoss.«
    »Also ist sie sichergegangen, dass mein Vater und die Kellnerin tot waren, bevor sie anrief.«
    Maddie blieb abrupt stehen. »Die Kellnerin hatte einen Namen.«
    »Ich weiß.« Ein trauriges Lächeln verzog einen Mundwinkel nach oben. »Meine Großmutter hat sie früher immer ›die Kellnerin‹ genannt. Das ist nur eine Angewohnheit.«
    »Du wusstest nichts von alldem?«
    Er schüttelte den Kopf. »Meine Großmutter hat nicht über unangenehme Dinge gesprochen. Und glaub mir, dass meine Mutter meinen Vater und Alice Jones ermordet hat, stand ganz oben auf der Liste der Themen, über die wir nicht sprachen.« Er schaute wieder nach draußen. »Und du hast sogar Fotos.«

    »Ja.«
    »Hier?«
    Sie überlegte sich ihre Antwort gut und beschloss, die Wahrheit zu sagen. »Ja.«
    »Und was sonst noch?«
    »Außer den Polizeiberichten und den Tatortfotos habe ich Zeugenbefragungen, Zeitungsartikel, Diagramme und den Befund des Coroners.«
    Mick öffnete die Verandatür und trat hinaus. Hoch aufragende Gelbkiefern warfen schwarze Schatten auf die Terrasse und vertrieben die gedämpften Grautöne der Abenddämmerung. Eine leichte Brise erfüllte die Nacht mit Kiefernduft und wehte ein paar Haarsträhnen von Micks Stirn hoch. »Als ich etwa zehn war, bin ich in die Bibliothek gegangen, weil ich dachte, dass ich mir die alten Zeitungsberichte ansehen könnte, aber die Bibliothekarin war mit meiner Großmutter befreundet. Also bin ich wieder gegangen.«
    »Hast du überhaupt irgendwelche Berichte über diese Nacht gesehen?«
    »Nein.«
    »Würdest du sie denn gern sehen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hab nicht viele Erinnerungen an meine Eltern, und über die Vorgänge in jener Nacht zu lesen würde mir die wenigen verderben, die ich noch habe.«
    Sie hatte auch nicht viele Erinnerungen an ihre Mutter. Doch mit Hilfe der Tagebücher waren erst vor Kurzem ein paar zurückgekommen. »Vielleicht auch nicht.«
    Er lachte ironisch. »Bis du in der Stadt aufgetaucht bist, wusste ich nicht, dass meine Mutter meinem Vater beim
Sterben zugesehen hat. Ich wusste nicht, dass sie ihn so sehr gehasst hat.«
    »Wahrscheinlich hat sie ihn gar nicht gehasst. Sowohl Liebe als auch Hass sind sehr starke Emotionen. Menschen töten ständig die Menschen, die sie lieben. Ich verstehe es zwar nicht, aber ich weiß, dass es passiert.«
    »Das ist keine Liebe. Das ist etwas anderes.« Er lief zur dunklen Ecke der Terrasse und klammerte sich am Holzgeländer fest. Am anderen Ufer des Sees ging der Mond über den Bergen auf und warf ein perfektes Spiegelbild auf das glatte Wasser. »Bis du in die Stadt gekommen bist, lag alles in der Vergangenheit begraben, wo es auch hingehörte. Dann hast du angefangen, darin zu wühlen und rumzuschnüffeln, und jetzt ist es wieder das Hauptgesprächsthema. Genau wie in meiner Kindheit.«
    Maddie ging zu ihm und lehnte sich mit dem Hintern ans Geländer. Sie verschränkte die Arme unter

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