Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
wenn wir sterben, dann in Freiheit, dicht an der Seite derer, die sich mit dem gleichen Mut für uns eingesetzt haben!«, fährt Diego mit glühender Inbrunst fort.
Miss Anderson packt mit hartem Griff meinen Oberarm und hält mich davon ab zurückzuzucken. Die beiden Hüterinnen stehen aufrecht neben mir und die Stimmung, die mich plötzlich erfasst, ist so feierlich und gefühlsgeladen, dass ich Tränen in den Augen habe.
Obwohl ich nicht im Orden bin, nur in einem viel zu kleinen und engen Zigeunerwagen, sehe ich die riesigen, hohen Räume des Mutterordens vor mir, als Kat meine Hand Emma entgegenschiebt. Mir scheint es, als würden hinter Emma, dicht an dicht, die anderen Hüterinnen stehen, in ihren festlichen Gewändern. Und mich erfasst die Stimmung derer, die auf mich warten, mit mir zu kämpfen. Die Kraft, die sie ausstrahlen, die Macht und ihr ungebrochener Wille, für das Gute zu kämpfen. Was oder wer sich uns auch in den Weg stellt. Jetzt und immerzu.
Vor der Tür des Wagens ist es jetzt so leise, dass ich nicht weiß, ob die Wölfe noch hier sind oder nicht. Als würden sie auf etwas lauschen, das sich uns nähert, als würde selbst die Natur den Atem anhalten, aus Angst vor dem Bösen. Ich höre nur meinen eigenen Atem, der bei jedem Atemzug langsam und bewusst in meinen Bauch hineinfließt.
»Ihr werdet das Gute schützen, mit aller Kraft, die ihr besitzt«, sagt Diego in die Stille hinein, in seiner Stimme liegt die Zuversicht eines Mannes, der in die Augen derer blickt, die auf seiner Seite sind.
Ich habe das Gefühl zu schweben, der Griff der beiden Hüterinnen wird stärker und Emma nimmt sanft meine Hand in die ihre.
Gebärt das Gute. Wehrt ab das Böse.
Dann sehe ich in Zeitlupe das Messer in meine Handfläche fahren. Wie Feuer schießt der Schmerz bis in meine Schulter, langsam füllt sich meine Hand mit Blut. Das Auge der Hüterinnen.
Die Luft zwischen Dawna und mir flimmert. Mit einer leichten Verbeugung tritt Miss Anderson vor uns, in ihren Händen erkenne ich eine kleine Glasphiole. Langsam tropft erst Dawnas Blut, dann mein Blut hinein und mischt sich. Mit einer langsamen Bewegung zeichnet Emma erst mit Salbe, dann mit Asche ein Zeichen auf meine Stirn. Dann tritt sie zurück und Mum steht vor uns.
»Meine Mädchen«, flüstert sie und scheint von innen heraus zu strahlen. Es ist ihre Bestimmung, es ist das, was sie die ganze Zeit gesucht hat, ohne es zu wissen. Sie nimmt unsere gezeichneten Hände und hebt sie nach oben. Sie ist von der Macht der Hüterin erfüllt, die sie an uns weitergeben wird. Langsam drückt sie unsere Hände aneinander. Der Schmerz wird süß, bis er verebbt, schließlich pulsiert etwas anderes zwischen uns. Es ist, als würde sich die Kraft von mir mit der von Dawna verbinden. Nein, als würde sich diese Kraft mit jeder Sekunde, die sich unser Blut mischt, verdoppeln und verdreifachen.
»Blut zu Blut«, keucht Emma atemlos. »Verbindet eure Kräfte zum Schutz des Guten.«
Und kämpft dafür, dass eure Liebe die rettet, die vom Bösen bedroht sind. Den letzten Satz muss Emma nur noch gedacht haben, denn plötzlich geben ihre Beine nach und sie sackt vor mir zusammen.
Im nächsten Moment hören wir das hysterische Kreischen von Frauen.
39
Dawna
S ie sind da!« Miss Anderson reißt mir energisch das weiße Gewand vom Leib, während ich auf Emma starre, die vor uns auf dem Boden liegt. Mum hat sie gepackt und versucht, sie aufzurichten. Miss Anderson drückt mir meine Klamotten gegen die nackte Brust. »Es geht los!«
»Wir werden Emma und eure Mutter schützen. Wir werden den Wagen verteidigen … bis zum Äußersten …«, erklärt Kat, die Indie hilft, ihre Sachen anzuziehen. Sie legt ihr einen Waffengürtel um die Hüften und zieht ihn fest. Miss Anderson reicht auch mir einen Gürtel, er fühlt sich schwer und gut an, als ich ihn festschnalle.
»Das macht keinen Sinn«, Emma öffnet die Augen. Ihr Blick ist verschleiert, »ich werde sterben. Helft den Mädchen. Ihr müsst ihnen helfen, die …«
»So ein Quatsch!«, sagt Indie. »Wir brauchen sie nicht. Wir gehen jetzt da raus und machen sie fertig. Los, Dawna.«
Das Kreischen der Frauen schwillt an. Heulen mischt sich darunter. Das Heulen der Wölfe, die in den Kampf gehen.
»Wir müssen nun Seite an Seite stehen …«, höre ich Diegos Stimme, »… nur so können wir den Stamm retten. Nur wenn wir eins sind. Mensch und Wolf vereint …«
Seine letzten Worte gehen in einem Aufschrei unter.
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