Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
nichts mehr verhindern können.
»Emma«, keucht er nur.
Richtig. Emma muss sterben, denn ohne Emma können wir das endgültige Ziel, Azrael vernichtend zu schlagen, nicht erreichen. Das war Grannys Plan. Dawna und ich schaffen es nicht alleine, Azrael durch das Tor treten zu lassen und ihm gleichzeitig meine Seele zu verweigern. Nur zusammen mit Emma kann uns das gelingen. Aber niemals können die Hüterinnen mit Emma aus dieser Lage entfliehen. Sie müssten eine riesige Felswand überwinden oder durch die kämpfenden Wölfe und Engel hindurch genau ins Kampfgetümmel hinein. Außerdem steht Emmas Todesdatum in Lilli-This richtigen Aufzeichnungen.
»Wir brauchen Lilli-Thi«, flüstere ich.
»Ihr dürft sie nicht töten.«
»Sie muss die Todeskoordinaten löschen.«
»Sie kann sie nur ändern.« Gabes Augen werden dunkel und ich erkenne eine Zärtlichkeit in ihnen, die vollkommen seinem Verhalten widerspricht. »Ich möchte dich für immer beschützen. Wenn du nur bei mir bleiben könntest.«
Ich sehe einen dunkel gekleideten Motorradfahrer zwischen den Wagen auftauchen und werfe Gabe einen warnenden Blick zu.
»Eine Niederlage kommt nicht infrage«, sage ich und trete so fest zu, dass er mich den kurzen Moment loslässt, den ich brauche, um wieder auf ihn losgehen zu können. Meine Kicks werden immer schneller, ich sehe an Gabes Augen, dass ich ihn manchmal treffe, dass ich manchmal ein klein wenig zu fest zutrete.
Deckung hoch. Kinn runter. Schwerpunkt senken. Ich fühle mich gut, ich bin schon längst durchgeschwitzt, die Muskeln schmerzen, aber den Blicken, die zwischen Gabe und mir hin- und hergehen, fehlt jede Aggression. Ich lege weniger Gewicht in die Schläge, es ist mehr ein Tanz zwischen uns. Wir gehen mit so schnellen Faustkombinationen aufeinander los, dass wir uns schließlich eng umschlungen festhalten, um den anderen am Schlagen zu hindern.
41
Dawna
I ch habe nicht mehr die Zeit, unter den Wagen nach meiner Glock zu suchen, ich werfe auch keinen Blick auf Indie und Gabe zurück, denn ich weiß, dass sie ihn aufhalten kann. Sie ist die Beste. Sie kann ihn mit einem Kick zerstören. All meine Gedanken sind auf Lilli-Thi konzentriert. Die Wagen rücken zusammen und ich halte mich nicht damit auf, der steif gefrorenen Wäsche auszuweichen, irgendwo vor mir höre ich leise Schritte, eisklirrende Schritte, die meinen eigenen Herzschlag an Intensität übertönen. Lilli-Thi auf dem Weg zu Emma. Ich sprinte los, in meinem ganzen Leben bin ich nicht so schnell gelaufen. Fetzen der Erinnerungen fliegen an meinen Augen vorbei, wie bunte Bruchstücke von Dingen, die ich irgendwann einmal gesehen habe, die Granny und meine Ururgroßmutter gesehen haben, sie vermengen sich und spiegeln sich in den matten Fensterscheiben der Zigeunerwagen wie Trugbilder.
Endlich öffnet sich der Gang, ich schlage Tücher zur Seite und endlich sehe ich auch Lilli-Thi vor mir, ihr Haar weht hinter ihr und ich kann nicht mehr unterscheiden, ob der Rauchgeruch von ihr ausgeht oder von den brennenden Wagen hinter uns. Ein leiser Pfiff lässt mich nach oben blicken, jemand läuft nun über mir, hetzt mit großen Sprüngen von einem Wagendach zum nächsten. Ich kenne seine Silhouette, die Art, wie er sich bewegt, ich kenne den Pfiff, den kurzen hellen Ton, mit dem er mich seit meiner Kindheit ruft, und ein Lächeln brennt sich heiß in meinen Bauch. Unsere Schritte verschmelzen zu einem, so wie unsere Körper miteinander verschmolzen waren, und meine Sehnsucht nach ihm scheint für einen Moment alles andere lahmzulegen. Ich möchte stehen bleiben und ihn küssen, wieder und wieder, bis alles vergessen und vergeben ist, bis ich wieder heil bin. Stattdessen legen wir beide an Tempo zu und dieses Gefühl lässt mich noch leichtfüßiger werden. Ich möchte lachen und weinen und ihn in die Arme schließen. Lilli-Thi wirft einen Blick über die Schulter, ihre dunklen, kalten Augen bohren sich in meine, sie vergeudet keine Zeit, sie ist schnell und stark und sie kennt den Weg. Sie hat gesehen, wie Wölfe starben und neue geboren wurden, vor Zeiten, als es noch keine Erinnerung gab. Sie hat Chebs Geburt gesehen und Kalos Geburt, sie hat über Kalo gewacht, als sie unter Schmerzen ihre eigenen Kinder gebar, in langen, rauen Nächten. Sie war die Erste, die in Mileys traumverschleierte, neugeborene Augen blickte und ihn erkannte als das, was er war, der Mann, den ich lieben würde. Schlagartig greift ihre Kälte nach mir.
Wir laufen
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