Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Meine Hüfte dreht sich blitzschnell, peitschenartig schlägt mein Fuß auf seinen Rücken.
»Was genau hast du denn vor? Dass ich dich vorbeilassen müsste«, sage ich rau, während ich Gabe mit einem leichten Fußkick auf Distanz halte und mich dann wieder hin und her tänzelnd auf ihn konzentriere.
»Mädchen, Mädchen«, sagt Pius, seine Augen glühen jetzt dunkel. »Sagt nur, ihr habt es geschafft.«
Du wirst Lilli-Thi nicht rechtzeitig erreichen, denke ich mir. Du kommst nicht an mir vorbei, das schwöre ich dir.
»Hat sie sich tatsächlich hier verkrochen«, sagt er gehässig, als ich nichts erwidere. »Das alte Weib«, setzt er hinzu und in mir explodiert der Zorn.
Die Kraft des Tritts wird durch die Drehung meines Körpers vervielfacht, mein Knie streckt sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit und mein Fuß trifft mit einer solchen Wucht auf Pius’ Solarplexus, dass dieser einfach zusammenklappt. Im nächsten Moment spüre ich Gabes starke Arme um meiner Taille.
43
Dawna
I ch liebe dich.« Mileys Worte sind voller Hilflosigkeit und Verzweiflung.
Noch immer drückt sich das Messer mit unbarmherziger Härte gegen Lilli-This Kehle. Ich sehe Miley an, seine dunkelbraunen Augen, sein Blick ist so weich, so zärtlich, so liebevoll. Er kniet vor mir, seine Hand fühlt sich warm und gut an. Wie oft haben mich diese Hände liebkost. Wie oft sind sie über meinen Körper gewandert und haben heiße Schauer meinen Rücken hinunterperlen lassen.
»Ich liebe dich.«
Meine Tränen tropfen auf Lilli-This Nacken, ihr Atem geht stoßweise.
»Sie. Soll. Die Dienerin. Töten.« Ihre Stimme ist nicht menschlich. Sie ist ein einziges Kreischen. Sie ist zersplitterndes Glas, der Ruf der Harpyie, bevor sie tötet, sie ist wie ein Messer, das in eine offene Wunde fährt.
Etwas lenkt mich ab. So sehr sind meine Sinne geschärft, dass ich die Dunkelheit lesen kann. Die Engel schwärmen aus, ihre schwarzen Federn glänzen im Mondlicht, machen sie gleich mit Schatten und Verderben. Sie kämpfen nicht mehr, sondern durchkämmen das Lager. Sie sind hinter mir her. Hinter mir und Lilli-Thi. Und hinter Emma. Systematisch suchen sie alles ab. Gang für Gang, Wagen für Wagen. In rasender Eile, mechanisch. Sie übersehen nichts und niemanden. Wie ein drohendes Flammenmeer durchziehen sie das Lager. Sie kennen kein Erbarmen.
Mileys Griff wird fester, sein Blick drängender, seine Worte klingen zwischen den Wagen wie Beschwörungsformeln und plötzlich kann ich wieder klar sehen. Meine Bestimmung. Mein Auftrag, ich habe ihn aus den Augen verloren. Ich habe vergessen, was zu tun ist. Der Zettel knistert in meiner Jeanstasche. Noch einmal verstärke ich den Druck auf Lilli-This Rücken, dann nehme ich das Messer von ihrer Kehle und schlitze blitzschnell ihre Jacke auf, vom Nacken bis zur Hüfte. Ihre Flügel entfalten sich. Pechschwarz, gekreuzt, Feder an Feder, bläulich schillernd.
»Man sagt, du wirst Nachtwind genannt«, flüstere ich an ihr Ohr.
44
Indie
N och immer hält mich Gabe von hinten fest an seine Brust gedrückt. Pius ist bewusstlos in den Schnee gerutscht und wir sind allein, allein zwischen den Zigeunerwagen und den steif gefrorenen Leintüchtern. Gabes warmer Atem streift meine Wange und seine Lippen berühren mein Kinn.
»Du musst bei ihnen bleiben«, flüstere ich. »Bis zu meinem Geburtstag. Sie dürfen nicht wissen, was du weißt. Sie dürfen nicht ahnen, was ich dir bedeute …«
Seine Arme schließen sich noch fester um meine Taille, gefangen und geborgen zugleich schmiege ich meinen Rücken in diese Höhle. Seine Wange drückt sich an meine, die Bartstoppeln kratzen ein wenig.
»Sie müssen sich in Sicherheit wiegen, sie müssen denken, dass sie deinen Willen dominieren und nicht du ihren.«
Er räuspert sich, seine Stimme klingt tief und rau, als er zu sprechen beginnt. »Ihr dürft nichts Falsches tun …«
»Falsch?«, frage ich, während ich seine Lippen an meinem Hals spüre.
Denn die Liebe ist es, die euch rettet …, wispert es in mir. Die Zweifel an Gabe flammen wieder auf. Ich halte das nicht aus, denke ich, ich halte es nicht aus, wenn er mich jetzt noch einmal täuscht.
Um uns herum scheint sich ein tiefes Schweigen auszubreiten. Erst jetzt fällt mir auf, dass wir keine Kampfgeräusche mehr hören. Beunruhigt blicke ich auf. Das Laufen und Rennen hat ein Ende, man hört kein Geschrei und kein Weinen mehr. Was ist passiert?
Ich winde mich aus Gabes Umarmung und drehe mich zu ihm um.
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