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Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Titel: Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tabita Lee Spencer
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suche in ihrem Blick die Antwort auf meine Fragen. Steht ihr hinter uns, seid ihr uns Mutter und Schwester in einem, Kämpfer und Unterstützer?
    »Marie Esperance Armengol«, sagt sie und deutet mit der rechten Hand auf sich selbst, als hätte sie gemerkt, dass wir sie nicht verstehen. Dann spricht sie weiter, rasend schnell, und mir wird klar, dass sie es doch nicht bemerkt hat. Während sie die schwere Eichenholztür zudrückt, bedeutet sie uns, ihr zu folgen. Plötzlich hört man nichts mehr, das ständige Donnern der Wellen bleibt vor der Tür. Während sie den düsteren Gang entlanggeht, umgeben uns ihre freundlichen französischen Worte wie ein Lied. Ich starre auf die Schuhe der Nonne. Es sind weiße Nike-Turnschuhe mit orangen Sohlen und orangen Schuhbändern. Mit aller Macht drängt sich der Schluss der Weissagung in meinen Kopf. Ich kann sie auswendig. Im Schlafen wie im Wachen.
    »Gemeinsam mit ihnen wird es sich zeigen,
    wer am Ende zerstört den Engelsreigen.«
    Sie geht weiter, mit schnellen, leichten Schritten, die eher an ein junges Mädchen erinnern als an eine alte Frau. Ich habe schneller die Orientierung verloren, als ich denken kann. Dann treten wir in den Kreuzgang. Marie Esperance Armengol bleibt stehen. Vor uns erstreckt sich der lange Gang mit dem hohen spitzen Gewölbe. Das Mondlicht beleuchtet fahl den Weg vor uns und erhellt das Atrium. Wir sehen durch die Arkaden in die Mitte der Fläche auf einen Brunnen, von irgendwoher ertönt das Gemurmel von vielen Frauen. Marie drückt ihren Finger auf ihre Lippen, als hätten wir gesprochen, und öffnet langsam eine weitere große, schwere Eichenholztür. Die Kapelle. Das flackernde Kerzenlicht wirft nur einen schwachen Schein auf die Frauen, die dicht gedrängt in der Kapelle stehen und beten. Wir sehen lediglich ihre Rücken. Eine einzige Frau dreht sich um, ich hätte sie fast nicht erkannt, denn sie sieht aus wie eine von ihnen.
    Mum.
    Als sie uns bemerkt, erhellt ein Lächeln ihr Gesicht, sie geht gesetzten Schrittes auf uns zu, drückt dann leise die Tür hinter sich zu.
    »Meine Mädchen«, flüstert sie. »Meine über alles geliebten Mädchen …«
    Sie nimmt uns rechts und links in den Arm und drückt uns gleichzeitig an sich.
    In meinem Kopf schwirren all die Fragen, die ich jetzt endlich stellen könnte … wieso habt ihr uns hierher gerufen? Wieso seid nicht ihr zu uns gekommen, so wie wir es geplant hatten? Was ist mit Emma?
    Als sie uns von sich schiebt, um uns wieder anzulächeln, fällt mein Blick auf Marie Esperance, deren Lächeln bis in mein Herz geht. Es fühlt sich an, als würde ich nach langer Reise zurückkommen.
    Hier ist unser Orden, unser Zuhause, unsere Zuflucht. Auch wenn ich die Worte dieser Frau nicht verstehe, fühle ich mich geborgen.
    Es wird alles gut.

2
    Dawna

    D ie Gärten des Ordens erstrecken sich bis zu den Klippen, eingeschlossen von hohen, steinernen Mauern. Nur von wenigen Plätzen aus kann man das Meer sehen. Das Meer.
    Wir sind zu einem Aussichtspunkt in der Mauer hochgestiegen, über glatt polierte, aus Fels gehauene Stufen, die sich immer höher wanden. Mum konnte es nicht erwarten, uns den Orden zu zeigen. Den Ort, nach dem sie so lange gesucht hatte. Nach dem sie sich so viele Jahre gesehnt hatte. An manchen Stellen war der Weg so steil, dass ich fürchtete zu fallen. Es gab kein Geländer und der feuchte Meerwind machte den Fels glitschig. Vor mir lief Indie. Marie Esperance mit ihren Turnschuhen setzte jeden Schritt so genau wie eine Bergziege. Dann Mum und Miss Anderson. Wenn ich so hinter ihnen ging, gleichmäßig, und die Luft tief in meine Lungen sog, während der Wind mein Haar herumwirbelte und die Umhänge der Frauen aufblähte wie die Segel von kleinen, flinken Fischerbooten, konnte ich fast vergessen, wozu wir hier waren. Oder besser: dass wir nicht wussten, wozu. Dass wir dem Ruf gefolgt waren und die anderen auf Whistling Wing zurückgelassen hatten. Als wäre es erst wenige Minuten her, spüre ich das Gewicht des Briefes in meiner Hand, ein Brief ohne Absender, den ich in fliegender Hast öffne, erst voller Sorge, dass Mum und Emma etwas zugestoßen ist, dann voller Erleichterung: Sie leben, sie haben es bis zum Kloster geschafft … aber Emma ist zu schwach, um erneut eine so lange Reise anzutreten. Kommt nach Marquessac, es wird sich alles finden… Ein seltsames Gefühl greift nach meinem Herz, ein Gefühl, das ich wohl Heimweh nennen muss. Widerwillig, denn wir waren es nicht

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