Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Schwester zu retten. Kats Händedruck wird fester, dann sehe ich wieder ihr Gesicht vor meinem.
»Miss Anderson und ich haben tagelang beraten. Wir glauben an euch. Aber …« Ihre Stimme ist plötzlich nicht mehr so fest. »Aber wir sind uns in einem Punkt einig: Ihr könnt es nicht ohne die Unterstützung des Ordens wagen. Ihr müsst ihn auf eurer Seite haben. Alles andere wäre Selbstmord.«
Mit einem hörbaren Ausatmen lässt sie meine Hände fallen. »Und denkt an die Konsequenzen. Für alle anderen.«
Sie zieht mich weiter und bleibt jetzt vor einer Tür stehen, die zu einem Zimmer führt.
»Das Zimmer meiner Schwester«, sagt sie.
»Wir schaffen es auch alleine«, sage ich zu ihrem Rücken. Hat sie nicht gesagt, dass wir die Geweissagten sind?
»Du weißt nicht, wovon du redest«, erwidert sie, dreht sich aber nicht zu mir um. »Du hast ihm noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden.«
Dann drückt sie die Klinke hinunter und öffnet die Tür. Kurz schwappt noch einmal die Erinnerung von Kat ungefiltert in meinen Kopf. Ihre Schwester liegt am Boden, blutüberströmt und bleich wie der Tod. Ein heiseres Lachen fährt mir durch den Körper wie ein Dolchstoß, dann hört die Erinnerung so plötzlich auf, wie sie angefangen hat. Das Erste, was ich in dem Zimmer von Kats Schwester sehe, ist ein Rollstuhl.
»Etwa fünfzig Gebäude«, sagt Maja eben. Sie ist mit ihrem Rollstuhl so schnell unterwegs, dass man Mühe hat, ihr hinterherzukommen. Seit mir Kat sie als ihre Schwester vorgestellt hat, hat Kat überhaupt nichts mehr gesagt, während Maja unablässig von der Geschichte des Klosters erzählt. »Der Mittelpunkt ist die Kirche, alles andere ist darum herumgruppiert. Aber um wirklich alles zu kennen, muss man vermutlich Jahre hier leben.«
Sie sehen sich nicht besonders ähnlich, aber man erkennt sofort, dass sie Schwestern sind. Während sie ihre Tunika anzog, konnte ich meinen Blick nicht von ihren unglaublich muskulösen kaffeebraunen Oberarmen wenden. Es sah nicht so aus, als müsste man ihr bei irgendetwas helfen.
»Für Besucher ist der alte Kern des Klosters natürlich am interessantesten – allein die vielen alten Sagen, die sich darum ranken.« Mit einem spöttischen Lächeln sieht sie zu mir hoch. »Gerade Amerikaner sind davon ja leicht zu beeindrucken, nicht wahr?«
Ich kann nur nicken.
»Ich persönlich werde vermutlich nie alles sehen können – da mich die Stufen ausbremsen.« Sie klingt dabei nicht unglücklich, gibt den Rädern einen kräftigen Schubs und biegt in den Kreuzgang ein. Mir ist plötzlich klar, dass Kat keine Abkürzung mit mir gegangen war, sondern einen gewaltigen Umweg, nur um sich mit mir vor dem offenen Fenster unterhalten zu können. Vor dem ersten Torbogen stoppt Maja den Rollstuhl abrupt und sieht wortlos zu dem Brunnen in dem offenen Atrium. Er kommt mir seltsam vertraut vor, obwohl ich ihn nur in der letzten Nacht im Dunklen gesehen habe. Zwei Hüterinnen knien auf gerechten Kieswegen vor regelmäßig geschnittenen Buchsbäumchen und jäten Unkraut. Es ist wie ein Déjà-vu, aber ich weiß nicht, wieso.
Als Maja weiterrollt, frage ich Kat abrupt: »Was ist mit Miss Andersons Schwester?«
Ihr Blick ist auf den Rücken ihrer eigener Schwester geheftet. »Tot«, sagt sie nur, verstummt aber sofort, als sich Maja mit dem Rollstuhl wieder zu uns dreht.
»Es wurde einiges in neue Übungs- und Trainingsräume investiert«, sagt Maja munter, ohne etwas zu dem Kreuzgang zu sagen. »Die werden sie euch aber heute nicht zeigen.«
»Wieso?«, will ich wissen.
Spöttisch hebt Maja eine Augenbraue. »Das alte Europa. Tradition. Der Ursprung. Ihr sollt bestimmt fühlen, was euch entgangen ist, weil ihr eure Ausbildung nicht hier gemacht habt.« Sie zuckt mit den Achseln. »Außerdem ist es natürlich sehr ergreifend, in diesen alten Räumen zu trainieren – « Oder sich zu beweisen, scheint sie zu denken, sagt es aber nicht.
Mit einer eleganten Bewegung dreht sie den Rollstuhl und rollt in die Kapelle hinein.
»Keine Sorge«, murmelt sie. »Sie sind Hüterinnen wie du und ich.«
Ja, nur dass sie die besten der besten sind.
Mitten in der Kapelle stehen mehrere Frauen in weißen Gewändern. Dawna sticht aus der Gruppe der anderen Hüterinnen heraus – die weißen, langen Tuniken, und Dawna in Jeans und Top. Dawna hat interessiert den Kopf geneigt und hört anscheinend aufmerksam zu, was ihr gerade erzählt wird. Alle sehen auf etwas, was zwischen ihnen
Weitere Kostenlose Bücher