Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
zwischen den beiden jetzt entsteht, schließt mich aus. Es macht mich unruhig, Dawna so zu erleben.
»Lilli-Thi hilft. Sie hilft, wo sie kann«, sagt sie ruhig.
Dawna antwortet ihr nicht und Lilli-Thi beginnt zu lächeln, aber es scheint nur ihr Mund zu sein, der sich verzieht.
»Hütet euch vor denen, die auf eurer Seite zu sein scheinen.«
»Willst du mir Ratschläge geben?«, fragt Dawna.
»Lilli-Thi gibt keine Ratschläge«, erwidert Lilli-Thi tonlos. »Sie sucht und sie findet.« Ihre Stimme wird zu einem unheimlichen Raunen. »Die Wahrheit hat viele Kinder. Es gibt keine Grenzen für die Freiheit. Für unsere Freiheit.«
»Sprich nicht in Rätseln«, sagt Dawna drohend.
»Lass das«, zische ich Dawna zu und will sie wegziehen. Die Frau ist komplett durchgeknallt, ich weiß nicht, wieso Dawna das nicht sehen will. Endlich gibt Dawna nach und dreht sich zu mir um. Inzwischen ist der Strand komplett dunkel, nur der Himmel ist noch hell, ein rötlicher Schimmer, die Erinnerung an den Sonnenuntergang.
»Sie tötet grausam, aber der Tod kann auch Erlösung sein«, ruft Lilli-Thi hinter uns her und beginnt zu lachen.
Ein seltsames Geräusch, als würde eine rostige Tür auf und zu schwingen, es hat nichts Fröhliches an sich, es ist nur unheimlich und drohend. Eine Ankündigung, die sie ohne Gnade umsetzen wird.
»Fragt sie, was mit den Hüterinnen geschah …«
Wir beginnen, wortlos zu laufen, erst schwerfällig durch den tiefen Sand, bis wir auf den harten feuchten Sand der Brandung kommen. Und in unseren Ohren noch immer die Worte von Lilli-Thi.
Fragt sie, was mit den Hüterinnen geschah, die das Tor nicht schließen konnten …
10
Dawna
Ü ber den kleinen Felsenpfad gelangen wir wieder zum Kloster hinauf, Indie nimmt die Steigung locker, ich, durch das Treffen mit Lilli-Thi und den Armengol-Schwestern aufgeputscht, würde sie am liebsten überholen. Sie drückt die kleine Tür in der Mauer auf.
»Lilli-Thi wollte uns warnen«, sagt sie und umfasst meinen Arm.
»Sie will verhindern, dass wir uns dem Orden anschließen.« Ich sehe zum Kloster hinüber.
Nur wenige Fenster sind erleuchtet. »Und dreimal darfst du raten, warum.«
Ich verschließe die Tür und lehne mich mit dem Rücken dagegen. Lilli-Thi wollte uns nicht warnen. Sie geht immer ihren eigenen Weg und der kennt nur ein einziges Ziel. Azrael auf die Welt zu helfen und sie damit zu zerstören … Du bist mir ähnlicher, als du denkst … Dieser Satz kommt mir in den Sinn, den sie damals im Camper zu mir gesagt hat. Vielleicht hatte sie recht damit. Die Wut brandet wie das Meer weit unter uns in meinem Herzen. Ich weiß, dass auch ich sie töten würde. Erbarmungslos.
»Sie weiß genau, dass wir es ohne den Orden nicht schaffen können«, flüstere ich, »wenn sie uns nicht aufnehmen…«
»Wir dürfen uns nicht verrückt machen. Wir haben die Wölfe. Emma …«
»Wir können nicht abschätzen, was passiert, wenn sich das Tor öffnet. Selbst bei der Prüfung vorhin waren wir nicht auf die Wucht des Angriffs vorbereitet.«
Der Himmel über uns ist vom Mond erhellt. Ein einziger, großer Vogel zieht seine Kreise, einsam und ruhig. Ich folge ihm mit meinen Augen, er scheint seine Schwingen nicht zu bewegen, lässt sich vom Wind tragen. Oder ist er es, der den Wind in sich trägt?
… sie wird Nachtwind genannt, Windgeist, Lilitu …
»Wir haben uns. Wir sind unschlagbar. Du und ich.«
Indie umarmt mich und umhüllt mich mit ihrer Zuversicht. Zum ersten Mal ist sie die Stärkere von uns beiden. Ohne Angst und ohne Zweifel.
Eine junge Hüterin bittet uns hinein. Wir laufen über dicke Teppiche, die unsere Schritte verschlucken und alles so still machen, so unwirklich, nicht greifbar. Die Kerzen werfen flackernde Schatten an die Wände. Die Hüterin bringt uns zu einer Tür, dort verabschiedet sie sich mit einem knappen Nicken und lässt uns alleine, wenige Sekunden später öffnet die Oberin, obwohl wir noch nicht angeklopft haben. Es ist spät, die Glocken der Kapelle schlagen zwölf Mal. Ich blicke mich um, Gemälde von anderen Hüterinnen hängen dicht an dicht an den Wänden. Eine muss Lucille les Fleurs sein, ich erkenne sie an der weißen Lilie, die sie in der Hand hält. Die andere hat sie erhoben, sodass man das Auge der Hüterinnen in ihren Handflächen sehen kann. Ihre Gesichtszüge sind undeutlich, verschwommen, so als wäre sich der Maler unsicher gewesen, was von ihrem Wesen er einfangen wollte.
Die Oberin ist eine
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