Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Funkerinnen am Arm. »Wiederholen Sie das! Es darf nicht geschlossen werden. Auf keinen Fall!«
Die Oberin schlägt wütend mit der Faust auf den Tisch vor sich. Das Bild zerfällt in graue und schwarze Striche.
31
Indie
D ie Nacht hängt dunkel und voller Geräusche über Whistling Wing. Die Grillen. Die sommerschweren Düfte, der sanfte Wind, der durch die Gardinen ins Zimmer drückt. Hin und wieder hört man die Pferde unruhig auf der Koppel galoppieren. Eine donnernde Runde, dann ist es wieder still, bis sie wieder aufschrecken.
Versagt, denkt sich Dawna ein ums andere Mal, mit einer Regelmäßigkeit wie die Pferde rast dieses Gefühl durch ihren ganzen Körper.
Noch mehr beunruhigt mich Diego. Bis zu dem Tag, als Mum entführt wurde, war er die Ruhe selbst. Er strahlte immer die Gewissheit aus, dass wir alles schaffen können, was wir uns vorgenommen haben. Jetzt steht er wie versteinert draußen auf der Veranda, den Blick in die Unendlichkeit gerichtet, und spricht kein Wort mehr. Auch in mir ist etwas versteinert. Ein klein wenig war es seit unserer Initiation auch ein großes Abenteuer, mit der ständigen Gewissheit, dass wir nicht mehr zu schlagen sind. Dawna und ich, ein unbesiegbares Team, das sich gegen den Orden stellen kann, weil es jede einzelne Übung der Hüterinnen bis zu Perfektion beherrscht.
Wir haben sie unterschätzt, denke ich. Hochmut kommt vor dem Fall. Wir haben das Leben von Miss A, Kat und Dusk einfach aufs Spiel gesetzt, in dem Glauben, dass wir immer unser Ziel erreichen.
Sidney, Eve und Tamara sind auf ihre Zimmer gegangen. Sidney hat Beebee mit den Worten »Du gehst zu deinem Vater. Bleib dort, bis alles vorbei ist« weggeschickt. Nur Emma sitzt mit uns am Küchentisch, in sich versunken und genauso sprachlos wie wir. Sie sieht erst auf, als die Holzbretter der Veranda quietschen und die Küchentür von Diego aufgestoßen wird. Seine Augen glühen bernsteinfarben, ein Zeichen dafür, dass er sich bald verwandeln wird. Dass ihn bald nichts mehr in seiner menschlichen Gestalt hält.
»Ich muss nach New Corbie«, knurrt er uns an. »Ich muss wissen, was geschehen ist.«
»Ich komme mit«, sagt Dawna und springt auf.
»Nichts da«, fährt Emma uns energisch an. »Das kommt nicht infrage. Keiner fährt nach New Corbie.«
»Mir werden sie nichts tun«, erkläre ich und schiebe den Stuhl zurück. »Mir und Dawna. Wir zwei sollten fahren.«
Diegos grimmiger Blick bohrt sich in mein Herz.
Der Vorwurf, der darin liegt, schmerzt genauso wie der Verlust von Miss Anderson, Kat und Dusk. Mums Entführung ist unsere Schuld und jetzt ist auch der Tod unserer Verbündeten unsere Schuld. Wenn wir Diego jetzt nach New Corbie fahren lassen, dann wird auch er sterben.
»Ihr könnt nichts erreichen, ihr dürft an nichts anderes denken als an …« Sie unterbricht sich selbst, weicht unseren Blicken aus.
An was? An Mum? An Azrael?
»An meinen Geburtstag?«, frage ich fast unhörbar. Es sind noch genau zwei Tage. Noch zwei Tage. Zwei Tage, in denen die Dunklen ihre Verbündeten in New Corbie bündeln. Der einzige Verbündete, den wir drei haben, ist Diego.
Emma. Dawna. Diego. Und ich.
Seht auf das Zeichen in eurer Hand, das Auge zeigt, wer ist euch verwandt. Gemeinsam mit ihnen werdet ihr stehn, drei Frauen werden ihm in die Augen sehen …
Gemeinsam mit wem? Mit denen, die auch das Zeichen in der Hand haben? Aber was, wenn sie kein Einsehen haben? Außerdem ist es viel zu spät – auch wenn der Orden heute noch beschließen würde, alle seine Hüterinnen hierher nach Whistling Wing zu schicken, wäre es fraglich, ob sie es noch rechtzeitig schaffen würden, hier anzukommen.
Das Geräusch eines Motorrads lässt uns zusammenfahren und wir stürmen zu viert auf die Veranda. Das Motorrad fährt viel zu langsam, rollt fast nur noch über den Hof.
»Dusk«, schreit Dawna los und beginnt zu laufen. Auch ich setze mich in Bewegung, als ich erkenne, dass noch jemand hinter ihm sitzt.
Kat.
Kurz bevor wir das Motorrad erreichen, rutscht Kat leblos aus dem Sattel.
»Mehr Verbandsmaterial«, sagt Sidney zu Eve. »Die Blutung lässt sich nicht stoppen.«
Sie wirft mir einen kurzen Blick zu, ich knie neben Kat auf dem Boden in der Küche und halte das Handgelenk des verwundeten Arms nach oben, während Sidney versucht, mit einer Kompresse die Blutung zu stillen.
»Pinzette«, sagt sie zu mir und ich habe keine Ahnung, was sie von mir will. »Mädchen«, fährt sie mich an, »reiß dich
Weitere Kostenlose Bücher