Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Zimmer zu stürmen.
»Schickt dich Kalo vor?«, frage ich.
Nawal nickt.
»Es geht nicht um Miley«, sage ich und höre auf meinen Herzschlag, der komischerweise sehr ruhig ist, »es geht um das Messer.«
Nawal sieht mich fragend an. Um ihre Schultern ist ein wollenes Tuch gewickelt. Ihr Haar ist zu einem dicken Zopf gebunden und die Katzen drängen sich, wie beim letzten Mal, um ihre Beine.
»Rag hat es«, sage ich, »du musst mir helfen.«
Nawal schweigt, weicht aber meinem Blick nicht aus.
»Ich bitte dich, dass du mir hilfst«, sage ich.
»Komm zum Club«, flüstert sie, »morgen Nacht.«
Ich sehe kurz zu Mileys Fenster hinauf. Dann lasse ich den Zettel fallen.
Wieder blickt Miss Anderson auf ihre Armbanduhr, als ich über die Kiesfläche auf sie zulaufe. In einer alten, krüppeligen Weide hat sie einen Sack aufgehängt. Aus der Entfernung sieht es aus, als würde dort irgendetwas Totes hängen. Als ich vor ihr stehe, drückt sie den Stoppknopf.
»Neunundfünfzig Minuten und einundreißig Sekunden«, sagt sie, »du steigerst dich. Schön.«
Ein Motorengeräusch lässt mich über die Schultern blicken. Der Ford Bronco kommt auf uns zu. Er zieht eine Fahne aus Staub und gefrorener Luft hinter sich her. Er holpert über den Kies und bremst vor uns ab. Zuerst steigt Kat aus. Sie trägt eine schwarze, enge Trainingshose, eine passende Jacke und halbhohe Boxerstiefel. Dann steigt Indie zögernd aus. Sie sieht mich nicht an, sondern lehnt sich nur abwartend gegen den Wagen.
»Im Orden durchlaufen die Hüterinnen jeden Tag drei Trainingseinheiten …«
»Laufen, Schießen, Savate«, unterbricht Indie betont gelangweilt Miss Anderson.
»Drei Trainingseinheiten Savate«, beendet Miss Anderson ungerührt ihren Satz, »dabei kämpfen die Schwestern gegen ihre Ausbilderinnen. Savate formt den Geist, den Körper und den Charakter. Es verlangt vollkommene Konzentration. Ein perfekter Kämpfer kann, auch wenn er klein und zierlich ist, einen körperlich überlegenen Gegner mühelos besiegen.«
Kat beginnt, auf der Stelle zu laufen und sich aufzuwärmen, während Miss Anderson vor uns auf und ab geht.
»Die Schläge werden mit größtmöglicher Präzision ausgeführt. Präzision überwindet alle Unterschiede in Größe und Kraft der Gegner. Prägt euch das ein. Ihr seid nicht unterlegen. Niemandem.«
Indie kaut an ihrer Unterlippe. Ich sehe ihrem Gesicht an, dass sie zweifelt. Sie hat Rag vor Augen. Selbst ich habe Rag vor Augen. Hinter den Kiesbergen ballen sich dunkle, schwere Wolken. Es wird Schnee geben. Viel Schnee. Nicht nur das bisschen, das wie Puderzucker alles bestäubt. Es wird so viel Schnee geben, dass die Welt darin versinkt.
»Bei einem deutlich größeren Gegner zielen alle Tritte gegen die Gelenke. Man kann jemandem mit einem präzise ausgeführten Kick mühelos das Knie brechen.«
Kat täuscht ein paar Schläge an und sprintet dann einen der Hügel hinauf. Es sieht unwirklich aus, als würde sie fliegen.
»Macht euch warm!« Miss Anderson blickt schon wieder auf ihre Armbanduhr, als hätten wir es eilig.
»Ich bin warm«, sage ich genervt.
»Dawna«, Miss Andersons Stimme ist noch unterkühlter als sonst, »der erste Lernschritt ist, dass man die Anweisungen seiner Ausbilderin befolgt. Ich erwarte von dir, dass du dich an diese einfache Grundregel hältst.«
Indie ist schon in Bewegung. Sie läuft hinter Kat her, sie scheint keine Mühe mit dem Modifikationspunkt zu haben. Ihre Bewegungen sind leicht und geschmeidig. Ihr rotes Haar weht wie eine gleißende Fahne hinter ihr her, während sie immer mehr an Tempo gewinnt. Sie wirft sich herum und hechtet den Hügel hinunter, immer schneller, bis sie unten auf ihren Füßen landet. Es sieht aus, als hätte sie Spaß. Ich stehe immer noch da.
»Die Engel«, sage ich böse, »die lachen sich doch tot über uns.«
»Das tun sie«, Miss Anderson nickt, »und das ist gut so.«
»Die erste Lektion ist der Chassé Bas.«
Miss Anderson hat sich glatte cremefarbene Lederstiefel mit weicher Sohle angezogen. Sie steht vor mir, während sich Kat vor Indie positioniert. Ich kann Indies Aggression fast körperlich spüren. Die Wolken sind noch dunkler geworden und türmen sich zu bizarren Formationen auf.
»Um den Chassé Bas auszuführen hebt der Kämpfer das Bein und stößt mit der Ferse, dem härtesten Teil seines Stiefels, gegen den Oberschenkel des Gegners. Bei dieser Technik kann die Schubkraft der Hüfte, kombiniert mit der Stoßkraft des
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