Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Beines, leicht eine Kraft von mehr als dreihundert Kilo auf den Knochen des Gegners ausüben. Der Chassé Bas hält euch den Gegner vom Leib. Und nicht nur das. Er kann ihn sogar zu Fall bringen. Ihr stoßt, dann nehmt ihr das Bein zurück und bringt euch erneut in Position. Versuch es zuerst hier.«
Sie schiebt mich vor den Sack. Aber ich bekomme nicht einmal meinen Fuß in die erforderliche Höhe.
»Der hängt zu weit oben«, erkläre ich.
Miss Anderson nimmt die Arme hoch, macht eine schnelle Bewegung und im nächsten Moment liege ich ausgestreckt auf dem Boden. Mein Oberschenkel schmerzt höllisch. Vielleicht ist er gebrochen.
»Verdammt«, schreie ich los, »musste das sein? Ich dachte, wir trainieren! Ich dachte, wir bringen uns nicht gleich um!«
Gut. Er ist nicht gebrochen. Aber es tut weh. Und noch mehr nervt mich, dass ich vor Miss Anderson und Kat im Dreck liege. Und vor Indie.
»Glaubst du, Raguel interessiert, in welchem Trainingszustand du bist?«, sagt Miss Anderson.
Ich rapple mich auf und reibe mir über den Oberschenkel.
»Das wird ein richtiger blauer Fleck«, setze ich beleidigt hinzu.
Ich werfe Indie einen kurzen Seitenblick zu. Sie bindet sich ihr Haar energisch zu einem straffen Knoten, dann beginnt sie, auf Kat einzutreten. Als hätte sie nur auf die Gelegenheit gewartet, um mal so richtig Dampf abzulassen.
Na klar, Indie, denke ich, das ist ja wieder typisch.
Ich verstehe es selbst nicht, aber ich ärgere mich furchtbar über sie. Dass sie plötzlich einfach mitmacht. Normalerweise sperrt sie sich gegen alles. Warum nicht auch jetzt?
Jeder Tritt sitzt und Kat hat alle Mühe, sie abzufedern. In kürzester Zeit sind beide völlig durchgeschwitzt.
»Versuch es«, sagt Miss Anderson, »und setz deinen Stiefelabsatz ein.«
Ich stelle mich breitbeinig hin, dann trete ich halbherzig zu. Miss Anderson sieht mich streng an.
»Los. Weiter.«
Ich fühle mich beschissen lächerlich. Ich bin kein Kämpfer. Ich habe mich noch nie geprügelt und hatte auch nie vor, es zu tun. Wieder trete ich gegen Miss Andersons Oberschenkel.
»Savate ist eine Kampfkunst des Geistes«, erklärt Miss Anderson, wenig beeindruckt von meinem Tritt. »Savate ist grazil. Elegant. Genauigkeit und vorausschauendes Handeln sichern den Erfolg. Versuch es noch einmal.«
»Kann ich mich nicht auf die mentalen Dinge beschränken?«, sage ich.
»Jede der Schwestern wird genau gleich ausgebildet«, antwortet Miss Anderson, »so steht es im Kodex des Ordens.«
Ich bringe mich in Position und trete diesmal fester. Aber nicht fest genug.
»Gutes Distanzgefühl, gute Kondition, Koordination, Beweglichkeit und Schnelligkeit sind die Voraussetzungen für einen guten Savateur«, sagt Miss Anderson und steht immer noch genauso locker vor mir, als würden wir miteinander Tee trinken und kein Kampfsporttraining absolvieren.
»Kraft ist nur ein geringer Bestandteil«, redet sie weiter, »es geht um Technik und Willen.«
»Es würde mir leichter fallen …«, ich trete einen Schritt zurück und verschränke die Arme vor der Brust.
»Ja, Dawna?«
»Es würde mir entschieden leichter fallen«, sage ich, »wenn Sie nicht in Ihrem Tweedkostüm vor mir stehen würden.«
Kat und Indie hören schwer atmend auf zu kämpfen. Die Wolken öffnen sich über uns und erste dicke Schneeflocken fallen zwischen uns auf den Boden.
»Man darf sich nie von seinem Gegner täuschen lassen«, sagt Miss Anderson, »weder von seinem Äußeren noch von seinem Inneren.«
»Aber ich lasse mich nicht täuschen«, sage ich heftig.
Ich bin erschöpft, möchte ich hinzufügen. Ausgebrannt. Ich habe so viel im Kopf, dass ich nicht mehr weiß, an was ich zuerst denken soll.
»Man darf sich von nichts ablenken lassen«, sagt Miss Anderson, »äußerste Konzentration ist absolute Grundvoraussetzung. Indiana. Tausche mit deiner Schwester den Platz.«
17
Indie
D ie Schneeflocken segeln immer dichter zu Boden. Dawna sieht zu mir hinüber. Sie würde jetzt gerne etwas sagen, aber sie macht es nicht. So wie ich sie kenne, tut es ihr schon wieder leid, dass sie mich durch ihr Verhalten dazu zwingt, gegen Miss Anderson in ihrem Tweedkostüm anzutreten. Die lässt schon wieder ihre Leier von Beweglichkeit, Schnelligkeit und Konzentration ab. Sie stellt sich sehr gerade vor mich und sagt an Dawna gewandt: »Und natürlich der Wille zu gewinnen. Man darf sich nichts vormachen, der Sieg des anderen kann dein eigener Tod sein.«
Jetzt sieht sie mich an und ihr
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