Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Miss A. mit ihrem typischen überheblichen Tonfall.
Kat sieht alarmiert aus. »Sollen wir nicht …«, will sie unterbrechen, aber Miss A. wischt ihren Satz mit einer Handbewegung zur Seite.
Ja, Miss A. Dann werden wir mal sehen, denke auch ich, was ich in der letzten halben Stunde gelernt habe. Ich lasse mich doch nicht von einer alten Dame im Tweedkostüm fertigmachen, das wäre ja noch schöner.
Sie kneift ihre Augen zusammen. Sie wird keine Rücksicht nehmen, das ist jetzt sicher. Ich setze mein breitestes Grinsen auf und sie geht sofort zum Angriff über.
Ich hebe mein Knie, so wie es mir Kat gezeigt hat, die Hüfte dreht sich und dabei tritt die Ferse auf den Oberschenkel von Miss Anderson, was diese aber gar nicht aus dem Konzept bringt. Deine Hüfte muss Schubkraft entwickeln, höre ich Kats Stimme. Mit der Stoßkraft deines Beines verbunden wirst du deinen Gegner auf Distanz halten. Er wird nicht angreifen können. Man hält ihn auf Distanz, dass er selbst nicht angreifen kann. Auf die Hüfte gezielt, bringt dieser Kick den Gegner aus dem Gleichgewicht.
Kat scheint sich ein bisschen Sorgen um mich zu machen, denn immer höre ich ihre Gedanken dicht an meinem Ohr. Chassé lateral, Fouette, ausweichen, ausweichen. Aber ich habe keine Lust, Miss A. die ganze Zeit nur auf Distanz zu halten.
Miss A. geht aggressiv gegen mich vor und irgendwie bin ich froh, dass sie sich von mir so hat provozieren lassen. Sie will mir eine Lektion erteilen, das ist klar, und ich will mir den ganzen Frust der letzten Tage aus dem Leib schlagen. Ich will ihr zeigen, dass ich nicht das kleine dumme Mädchen bin, das alles mit sich machen lässt. Das sich nichts merken kann, das so blöd war und sich von einem Vogel verletzen hat lassen. Endlich habe ich etwas gefunden, was ich ganz leicht lernen kann, und ich werde mir keine Lektion erteilen lassen.
»Wichtig ist die eigene Motivation«, erklärt Miss Anderson so ruhig, als würde sie nicht mit mir kämpfen, sondern vor einer Schulklasse stehen. Sie ist überhaupt nicht außer Atem, und wenn ich nicht momentan alle Hände voll zu tun hätte, sie abzuwehren, würde ich darüber lachen, dass sie in ihren Schnürstiefelchen und ihrem Kostüm hier draußen ist und kämpft.
Faustschlag, Faustschlag, Kick, ihre Schläge werden härter, als sie merkt, dass ich mich nicht zurücknehme. Ausweichen. Ausweichen, ich gebe einen seitlichen Faustschlag und noch einen, kurz antäuschen, dann in schneller Folge zwei Faustschläge und ein gezielter Kick, Miss A. geht in Deckung. Es wundert mich, wie gut sie ist. Sie sieht so vertrocknet aus, als würde sie nie im Leben irgendetwas Körperliches gut machen, aber das kann sie, das muss man ihr lassen. Sie ist sogar besser als Kat. Aber sie ist nicht besser als ich, das weiß ich. Es ist wie ein Tanz ohne Choreografie für mich, ich weiß immer, welche Bewegung ich machen muss, auf welcher Höhe, mit welcher Geschwindigkeit. Es macht mir Spaß, ihr das Gefühl zu geben, sie hätte es im Griff. Sie könnte mich jetzt ermüden.
Immer wieder höre ich, wie Dawna scharf Luft holt, anscheinend doch in Sorge um mich.
Die noch immer hochnäsige Art von Miss A. macht mich langsam hitziger.
Ich mach dich platt, Pamela Anderson, denke ich provozierend und sie kneift die Augen zusammen.
Wir werden sehen, denkt sie. Hochmut ist das Schlimmste, was einem passieren kann, Indiana Spencer. Hochmut lässt dich unvorsichtig werden und unachtsam und du wirst Fehler begehen.
Aber auch das weiß ich bereits.
Ich weiß genau, dass ich keinen Fehler machen darf, dass ich keine Sekunde unaufmerksam sein darf, bis ich gewonnen habe. Gleichgültig, wie der Gegner kämpft, höre ich die Stimme von Kat, sei immer darauf gefasst, dass er dich täuscht. Dass er doch stärker ist, dass er dich in Sicherheit wiegt, weil er auf bestimmte Schläge immer gleich reagiert. Plötzlich ändert er seine Taktik und aus dem zurückhaltenden Kämpfer wird eine Bestie, aus dem kühlen Taktiker ein emotionaler Fighter. Fühl dich nie sicher.
»Wenn euch Ernestine besser unterrichtet hätte …«, sagt Miss A. nach den nächsten Faustschlägen, »dann …«
Halt die Klappe, denke ich mir. »Wird das hier noch besser?«, sage ich stattdessen laut. »Langsam schlafen mir ja die Arme ein, so lahm, wie wir hier herumstehen.«
Dass in Miss A. etwas anderes stecken könnte als kühle Rationalität, wird mir im nächsten Moment klar. Sie greift plötzlich mit einer Härte an, die ich ihr
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