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Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)

Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)

Titel: Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damaris Kofmehl , Demetri Betts
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festhielt, lachte. Aliyah hörte, wie sich mehr und mehr Schüler um sie scharten. Sie spürte, wie es in ihr zu kochen begann.
    «Lass endlich los!», schrie sie. Sie war schon ganz rot im Gesicht, und die Wut trieb ihr die Tränen in die Augen.
    «Hey», verkündete einer der Jungs plötzlich, «die Krüppelamme kommt!»
    Kaum ausgesprochen, erschallte auch schon eine laute Frauenstimme durch den Korridor. «Was ist da vorne los?!» Es war Frau Germin, und alle Sanftmut war aus ihrer Stimme gewichen.
    «Gehn wir», sagte der Anführer der Gruppe rasch zu seinen Kumpanen. Der Junge, der sich mit Aliyah um ihre Tasche raufte, ließ so schnell los, dass Aliyah das Gleichgewicht verlor und rückwärts hinfiel, wobei sich der gesamte Inhalt ihrer Schultasche auf dem Boden verteilte.
    «Krüppel!», feixte einer der Jungs und warf den Blindenstock achtlos auf den Flur, bevor er sich zusammen mit den andern aus dem Staub machte.
    «Ich bin kein Krüppel!», rief Aliyah den Jungs spuckend hinterher. «ICH BIN KEIN KRÜPPEL!»
    Dann brach sie in Tränen aus und begann tastend ihre Schulsachen zu suchen.
    «Platz da!», ertönte indessen die schrille Stimme von Frau Germin, während sie die Schaulustigen wie lästige Fliegen verscheuchte. «In eure Zimmer! Los! Die Vorstellung ist zu Ende!»
    Sie kniete neben Aliyah nieder und half ihr beim Einsammeln.
    «Alles in Ordnung mit dir?», fragte sie Aliyah.
    Aliyah nickte schniefend. Doch ihre Hände zitterten, und ihre Lippen bebten.
    «Komm», sagte die Lehrerin und half ihr beim Aufstehen. «Gehn wir rein.»
    Aliyah hörte, wie ein paar Kinder neben ihr ins Klassenzimmer huschten.
    «Mach dir nichts draus», tröstete sie ein Mädchen, und Aliyah nahm das Quietschen von Reifen eines Rollstuhls wahr. «Sie nennen uns alle … du weißt schon, wie.»
    «Aber ich bin kein Krüppel», protestierte Aliyah. Sie schluckte ihre Tränen hinunter und folgte dem Mädchen ins Zimmer.
    «Irgendwann gewöhnst du dich daran», versprach ihr das Mädchen im Rollstuhl. «Ich bin übrigens Mira.»
    «Und ich bin Aliyah», murmelte das blinde Mädchen.
    Die Lehrerin wies Aliyah einen Platz zu, die Kinder stellten sich gegenseitig vor, und der Unterricht begann. Aber Aliyah war nicht bei der Sache. Alles, woran sie denken konnte, waren die Jungs, die sie einen Krüppel genannt hatten. Sie versuchte, die Gefühle zu unterdrücken, die in ihr hochstiegen, und ballte ihre kleinen, feinen Hände unter dem Tisch zu Fäusten. Sie grub die Fingernägel so stark in ihre Handflächen, dass sie zu bluten begannen. Doch niemand bemerkte es.

57
    Aliyah blieb wie angewurzelt stehen, und auf einmal stieß sie einen schrillen Schrei aus, der entsetzlich durch den Wald der Offenbarung hallte. Die andern drehten sich ihr erschrocken zu.
    «Aliyah?», fragte Sihana vorsichtig. «Alles in Ordnung?»
    Aliyah stand gebückt da, ihre zarten Hände zu Fäusten verkrampft. Ihr Gesicht war aschfahl.
    «Was hast du?», fragte Miro, doch er bekam keine Antwort.
    Aliyah atmete heftig. Wie ein verwirrtes Tier stolperte sie im Kreis herum, den Kopf zwischen die Hände geklemmt, und schrie immer lauter. Ihr Schrei ging den Freunden durch Mark und Bein. Und während sie schrie, verwandelte sich ihr sonst so zierliches Gesicht immer mehr in eine Fratze, und ihr Körper begann zu wachsen. Sie wuchs und wuchs. Ihre Arme und ihr Oberkörper wurden so kräftig, dass die Muskeln die Nähte ihrer Baumwollbluse zum Platzen brachten. Dann riss der Gürtel, als ihre Hüfte auseinanderquoll.
    «Aliyah, was geschieht mit dir?», rief Joash und streckte seine Hand nach ihr aus.
    «Lass mich in Ruhe!», fauchte Aliyah, wirbelte herum und sah Joash mit flackernden Augen an. Ja, sie sah ihn an!
    «Ich glaub, ich fress ‘nen Besen», murmelte Joash, «siehst du mich, Aliyah? Siehst du mich?»
    Doch anstatt ihm zu antworten, holte das Mädchen zu einem wuchtigen Kinnhaken aus, mit dem Joash an einen Baumstamm geschleudert wurde, der ihm die Haut aufriss.
    «Was soll das, Kleine?!», fuhr Joash sie an, obwohl sie in der Zwischenzeit alles andere als klein war, und rappelte sich wieder auf. Er schmeckte Blut auf seinen Lippen.
    Sihana klappte der Unterkiefer herunter, als sie sah, welche Kräfte Aliyah mit einem Mal entwickelt hatte. Zitternd verkroch sie sich hinter einer Brettwurzel. Miro tat es ihr gleich, und Nayati winselte und bewegte sich mit eingezogenem Schwanz rückwärts. Wie gebannt starrten sie auf Aliyah, die vor ihren Augen immer

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