Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
würde ihm dieser Mann mitten ins Herz sehen.
«Es ist riskant, als Einzelgänger auf der Straße zu überleben», fuhr der Bärtige fort. «Aber sie hat Euch stark gemacht, Jojo. Stark genug für die gefährliche Aufgabe, die seit tausend und abertausend Jahren auf Euch gewartet hat. Ihr seid für Großes berufen.»
Joash hob den Blick und schluckte den Kloß herunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte.
«Wer seid Ihr?», flüsterte er.
«Nennt mich Mutter. So werde ich von den Meinen genannt», antwortete die Prophetin lächelnd und sah prüfend von einem zum andern. «Wie ich sehe, hat Master Kwando euch gut vorbereitet auf das, was kommen wird.»
Die Jugendlichen verstanden zwar nicht ganz, worauf Mutter anspielte, aber es gab im Moment ganz andere Dinge, über die sie reden mussten.
«Mutter, ich glaube nicht, dass wir weitermachen können», gestand Aliyah betreten. «Wir haben versagt.»
«Nur weil das Ergebnis nicht euren Vorstellungen entspricht, habt ihr noch lange nicht versagt, mein Kind. Versagen existiert nur in unserer Einbildung.»
Aliyah schüttelte enttäuscht den Kopf. «Nein, Mutter. Wir haben die Aufgabe nicht erfüllt, die Ihr uns aufgetragen habt. Drakar hat uns das flammende Schwert abgenommen. Bestimmt hat er es längst vernichtet.»
«Und Katara hat die Seite gewechselt», ergänzte Miro düster.
«Damit ist unsere Zahl nicht mehr vollständig», seufzte Aliyah. «Die Prophezeiung kann sich nicht mehr erfüllen. Es ist alles verloren.»
«Das Einzige, was wir noch haben, ist der erste Teil des Buches der Prophetie», sagte Ephrion und hielt den Riemen seiner Ledertasche fest umschlungen.
«Und die beiden Goldmünzen, die Ihr mir anvertraut habt», vervollständigte Aliyah und klaubte die Münzen aus dem kleinen Lederbeutel, der an ihrem Gürtel hing.
Joash machte große Augen, als er die Münzen sah.
«Kinder», sagte die Prophetin und scharte die Jugendlichen dicht um sich wie ein Trainer sein Brückenballteam, «eines müsst ihr wissen: Wir befinden uns in einem Krieg. Bloß weil ihr eine Schlacht verloren habt, ist der Krieg noch lange nicht entschieden. Nur wer am Boden liegen bleibt, ist besiegt. Ihr aber sollt wieder aufstehen und weiterkämpfen. Seid mutig und stark. Die Prophezeiung wird euch beschützen.»
«Aber was ist mit dem flammenden Schwert? Und mit Katara?», fragte Aliyah.
«Macht euch darüber keine Sorgen, meine Lieben. Am Ende wird das Schwert in der richtigen Hand sein. Und was Katara angeht: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Katara kennt die Wahrheit, aber niemand kann sie dazu zwingen, ihr zu folgen. Es ist ihre eigene Entscheidung.»
«Aber sie versucht uns zu töten!», rief Miro.
«Deswegen seid auf der Hut. Ihr müsst aus der Stadt verschwinden, bevor sie euch aufspürt und an Drakar ausliefert. Ihr müsst den zweiten Teil des Buches der Prophetie finden. Der König Shaírias braucht es, um nach Dark City zurückzukehren.»
«Ihr meint Arlo?», platzte Ephrion unüberlegt heraus.
In dem Moment wurde Joash von einer eigenartigen Hitzewelle erfasst. Pures Feuer schien in seinem gesamten Körper zu explodieren.
«Seid still, Narr!», zischte der Bärtige und schleuderte Ephrion einen durchdringenden Blick zu. «Wollt Ihr uns alle in Gefahr bringen? Sein Name darf nicht ausgesprochen werden! Noch ist die Zeit nicht reif dafür!»
Joash blickte verwirrt zwischen dem Alten und Ephrion hin und her. Sein Herz raste wie wahnsinnig. Was geht hier vor?
«Ihr habt nicht viel Zeit», sagte der Mann wieder mit ruhiger, aber fester Stimme. «Die Sicherheitsgarde könnte jeden Moment hier auftauchen. Euer Vorsprung ist gering.»
«Aber wohin sollen wir gehen?», fragte Aliyah. «Wo finden wir den zweiten Teil des Buches? Wenn ich mich recht erinnere, so wisst nicht einmal Ihr, wo wir danach suchen müssen.»
Der Mann nickte. «Das ist richtig. Aber ich habe mich etwas umgehört. Ich weiß jetzt, wo ihr ihn finden werdet.»
«Und wo?», erkundigte sich Ephrion eifrig.
«Um den zweiten Teil des Buches der Prophetie zu finden», begann der Mann und machte eine kurze, aber bedeutsame Pause, «müsst ihr in die Ewigen Sümpfe gehen.»
«Die Ewigen Sümpfe?», rief Miro entsetzt. «Das kann nicht Euer Ernst sein!»
Ephrion spürte, wie seine Knie weich wurden. «Ich habe gehört, dort haust eine fürchterliche Kreatur, die jeden auffrisst, der ihr zu nahe kommt.»
«Niemand, der die Ewigen Sümpfe betreten hat», ergänzte Aliyah mit
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