Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
machte eine abfällige Handbewegung. «Sag ich’s doch.»
«Wenn niemand den Weg dorthin kennt», überlegte Ephrion laut, «warum sind die Ewigen Sümpfe dann auf jeder Landkarte eingetragen?»
«Das Problem, Dicker, ist nicht, wo sie sich befinden, sondern wie man hinkommt», erklärte Miro betont überheblich. «Schon vergessen? Jeder, der zu den Ewigen Sümpfen aufbrach, ist verschollen.»
«Nayati wird uns den Weg zeigen», sagte Aliyah zuversichtlich, «nicht wahr, Nayati?»
Der Wolf kläffte zweimal und machte ein paar freudige Sprünge. Miro ließ sich davon nicht beeindrucken. «Zumindest die Richtung ist mir bekannt», meinte er. «Wir müssen nach Südwesten. Genau hier lang.» Er deutete schräg zwischen zwei Gebäuden hindurch, und Ephrion wunderte sich, wie er so rasch die Himmelsrichtung hatte bestimmen können. Er fragte ihn aber nicht danach, und Joash kratzte sich am Kinn und sagte bloß:
«Schlechte Idee, Hirn. Da landen wir in einer Sackgasse. Wir müssen da lang.» Er deutete in die komplett entgegengesetzte Richtung. «Die Sicherheitsgarde bewacht garantiert alle Straßen und Brücken, die aus Dark City rausführen. Aber ich kenne einen Übergang, den sie bestimmt nicht kontrollieren. Folgt mir.»
«Stopp!», rief Ephrion inbrünstig und zog Joash am Ärmel zurück. «Wir haben noch gar nichts gegessen heute Morgen! Meine Mutter sagt immer: Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tag. Und da hat sie Recht. Ich erinnere mich, einmal …»
«Ephi!», stöhnten Joash, Miro und Aliyah gleichzeitig auf, da sie bereits ahnten, was jetzt kommen würde. Doch Ephrion ignorierte sie einfach.
«Einmal, da bin ich nämlich ohne Frühstück zur Schule gegangen, weil ich verschlafen hatte. Kommt selten vor, dass ich verschlafe. Normalerweise wache ich immer punkt sieben Uhr auf, auch ohne Zeitmesser, keine Ahnung, warum. Jedenfalls …»
«Ephrion, bitte», unterbrach ihn Aliyah, «wir müssen los.»
«Ja, ich weiß», nickte der blonde Junge, während er alle mit einem großen Stück Brot versorgte, «jedenfalls war ich furchtbar spät dran und bin den ganzen Weg bis zur Schule gerannt.» Er redete mit vollem Mund, verstaute hastig das restliche Brot in seiner Tasche und stolperte den Gefährten hinterher. Sie waren bereits losmarschiert und ignorierten ihn komplett, was ihn aber nicht davon abhielt, seine Geschichte zu Ende zu erzählen. «Natürlich hatte die Schulglocke längst geläutet, und alle waren in ihren Klassenzimmern. Ich hechtete also die Treppe hoch in den dritten Stock – wir hatten in der ersten Stunde Biologie –, und als ich die letzte Stufe erreichte …» Er machte eine Pause, um den Höhepunkt seiner Schilderung noch dramatischer zu gestalten. «Boom! Wurde mir plötzlich schwarz vor Augen, und ich fiel die ganze Treppe wieder runter. Und das alles nur, weil ich nicht gefrühstückt hatte.»
Er wartete auf irgendeine Reaktion, doch niemand sagte etwas. «Na ja», meinte er achselzuckend, «danach hatte ich überall blaue Flecken, und meine Klassenkameraden haben sich köstlich amüsiert, und Ansgar schenkte mir sein Pausenbrot … Habt ihr eigentlich schon daran gedacht, dass wir außer diesen beiden Zuckerbroten überhaupt keinen Proviant dabeihaben? Vielleicht sollten wir uns etwas Trockenfleisch besorgen, bevor wir die Stadt verlassen, und abgekochtes Wasser. Oh Mann …» Er blieb stehen, da ihm soeben bewusst geworden war, was das bedeutete: «Wir haben tatsächlich keine einzige Flasche abgekochtes Wasser dabei! Das ist nicht gut, gar nicht gut. Ohne abgekochtes Wasser könnten wir ein echtes Problem kriegen.»
«Der Nächste, der ein Problem kriegt, bist du, wenn du nicht endlich die Klappe hältst, Dicker», sagte Miro genervt.
Ephrion schwieg, aber nicht, weil Miro ihn dazu aufgefordert hatte, sondern weil er darüber nachgrübelte, wo sie auf die Schnelle abgekochtes Wasser herkriegen konnten. Sie würden es dringend brauchen, denn sämtliches Wasser in Dark City war nach der großen Nebelkatastrophe bitter geworden. Wer Wasser trank, ohne es vorher abzukochen, wurde unweigerlich krank.
Wir können es uns nicht leisten, ohne Wasser loszuziehen, dachte Ephrion, während er versuchte, mit den andern Schritt zu halten.
Joash hatte ein unglaubliches Tempo eingeschlagen. Flink wie ein Wiesel lotste er die Gruppe durch das Gewirr an Sträßchen und Gassen des Stadtviertels, in dem sie sich befanden. Es gab keinen Zweifel daran: Er kannte sich hier
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