Dark City - Das Buch der Prophetie (German Edition)
zu Drakars Burg war weit, und sie traten ihn besser ausgeruht an. Da er selbst aber keine Lust hatte, einfach nur untätig herumzusitzen, beschloss er, die Zeit für einen kleinen Erkundungsgang zu nutzen. Kaum hatte er sich aufgerafft, gesellte sich Nayati zu ihm.
«Guten Morgen, Nayati», sagte Ephrion gutgelaunt. «Na, wie wäre es mit einem Wettlauf? Sagen wir, bis zu jenem Felsen da drüben?»
Der Wolf sah den Jungen erwartungsvoll an und wedelte unternehmungslustig mit dem Schwanz.
«Auf drei geht es los», erklärte Ephrion. Er begann zu zählen, und fast gleichzeitig sprinteten der Wolf und der Junge los. Leichtfüßig setzte sich Nayati an die Spitze. Ephrion war noch keine drei Schritte weit gelaufen, als er plötzlich mit dem rechten Bein einknickte und der Länge nach hinfiel. Dabei platzte ein frischer Schnitt in der Handinnenfläche auf und begann erneut zu bluten.
«Autsch!», machte Ephrion. «Wie ungeschickt von mir.»
Nayati kehrte um und betrachtete den am Boden sitzenden Jungen mit schiefgelegtem Kopf. Ephrion legte die Hand auf die Wunde und versuchte sie zu heilen, wie er es am Abend zuvor mit den Wunden seiner Gefährten getan hatte. Doch irgendwie schien es nicht zu klappen. Der Junge dachte nicht weiter darüber nach und wollte eben aufstehen, als ein stechender Schmerz durch sein rechtes Bein raste. Ephrion stieß einen spitzen, hohen Schrei aus.
«Was zum Kuckuck …» Er schüttelte das Bein, massierte es ein wenig und stand vorsichtig auf. Dann verlagerte er langsam sein Körpergewicht auf das eine Bein, um den Schmerz auszutesten. Wieder durchzuckte es das ganze Bein wie von einem elektrischen Schlag.
«Also, Muskelkater ist das definitiv nicht. Wirklich seltsam. Hoffentlich geht das wieder weg. Tut verflixt weh.» Er wandte sich dem Wolf zu. «Lassen wir uns ein anderes Spiel einfallen. Du darfst wählen.»
Nayati sprang freudig auf und rannte zielstrebig auf Miros Ledertasche zu. Ephrion grinste. Er wusste genau, worauf Nayati es abgesehen hatte.
«Ach, dieses Spiel möchtest du spielen? Ich glaube nicht, dass die anderen darüber erfreut wären.»
Nayati legte seine Pfote auf die Tasche und warf Ephrion einen dieser flehenden Blicke zu, denen man nicht widerstehen kann. Ephrion blieb trotzdem fest.
«Nein, Nayati. Du hast es doch gehört. Katara hängt uns beide kopfüber an einen Baum, wenn wir noch mehr von dem Trockenfleisch wegessen. Mit dem Mädchen legen wir uns besser nicht an, das sag ich dir. Sie ist die Tochter des ersten schwarzen Ritters von Dark City, weißt du?» Er warf einen prüfenden Blick auf Katara, um zu sehen, ob sie noch schlief. Dabei wurde seine Aufmerksamkeit auf das Schwert gelenkt, das neben ihr auf dem Boden lag. Offensichtlich war es ihr im Schlaf aus der Hand geglitten. Ephrion humpelte darauf zu und hob es auf. Es war ein tolles Gefühl, das Schwert in Händen zu halten. Da fühle ich mich doch beinahe wie ein Held, dachte er. Er entfernte sich ein paar Schritte von den Jugendlichen, überzeugte sich noch einmal, dass ihn auch wirklich niemand beobachtete, und ging mit dem Schwert in Position.
«Komm doch, wenn du dich traust», grollte er, als würde er einem gefährlichen Feind gegenüberstehen. Dabei versuchte er selbst so finster wie irgend möglich dreinzublicken, was ihm zwar nicht wirklich gelang, aber er gab sich wenigstens Mühe. Dann zerschnitt er mit ein paar wilden Hieben die Luft. «Ich werde dich in Stücke hauen und dein Fleisch den Geiern zum Fraß vorwerfen!»
In Zeitlupe drängte er seinen Feind Richtung Felswand, hieb, stach, säbelte und spielte seine Rolle als humpelnder Held mit Bravour. Schließlich stellte er sich vor, wie sein Gegner unbewaffnet und um sein Leben winselnd vor dem Felsen stand. Mit beiden Händen hielt Ephrion die Spitze des flammenden Schwertes auf seine Kehle gerichtet.
«Du hast es nicht anders verdient», sagte er, verzog sein Gesicht zu einer grimmigen Fratze und stach erbarmungslos zu.
Die Klinge traf den Felsen, und dabei geschah etwas Unerklärliches: Die Schwertspitze prallte nicht wie erwartet am Felsen ab – sie blieb darin stecken! Ephrion zog völlig erstaunt die Augenbrauen hoch.
«Was um alles in der Welt …» Er ließ den Griff los, und das Schwert blieb zitternd im Stein stecken wie ein Messer in einem Stück Holz. «Unmöglich», murmelte Ephrion und zog das Schwert mit einem Ruck aus dem Felsen. «Das bilde ich mir bloß ein.» Er holte zu einem weiteren Schlag aus, und die
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