dark destiny
behielt.
9
»ich rufe dich zu den waffen, neel.«
Cloud hatte Neel in sein Stadthaus rufen lassen, ein erster Hinweis darauf, dass er sein altes Leben nicht komplett hinter sich gelassen hatte. Cloud mochte dort nicht mehr wohnen, dennoch war alles wie zuvor, einschließlich Minas Herzlichkeit - die Neel auch nach den vielen Jahren noch reserviert und aufgesetzt vorkam - sowie Ambers schattenhafter Anwesenheit. Er sah sie stets nur aus dem Augenwinkel, eine Ahnung hinter einem Vorhang oder ein Schatten, der an einer geöffneten Tür vorbeihuschte. Früher hatte er es gerochen, wenn sie in der Nähe war.
Er saß in der Wohnstube auf einem niedrigen Sessel, ein dünner Kräutertee mit einem Schuss Gebranntem stand vor ihm auf dem Tisch. »Wie geht es Amber?«, fragte er Mina, als hätte er nicht bemerkt, dass sie lauschte.
Mina schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf, was Neel mit »unverändert« übersetzte. Offenbar wusste auch Mina, dass Amber in der Nähe war, denn sie sagte mit leiser Stimme: »Lange kann sie nicht mehr hierbleiben. Du musst dir bald eine Wohnung nehmen und ...«
Mina musste nicht weitersprechen. Dann würde er Amber zu sich holen und mit diesem Geist von einer Frau zusammenleben müssen. Neel schluckte und hatte das beschämende Gefühl, Amber würde auch das hören und seine Abneigung bemerken. Er hatte Anspruch auf Amber erhoben, weil Joys Leben daran hing, ihr Seelenfrieden zumindest, was ihr nicht weniger wert gewesen war. Joy hatte sich nie verziehen, dass Amber aufgrund ihrer eigenen Risikobereitschaft gefangen genommen worden war. Amber hätte sich in Clouds Haus erholen sollen. Mina hatte gut für sie gesorgt und Cloud sich bemüht, ihr zu vermitteln, dass nicht alle Percents waren wie Widden. In seinem eigenen Haus war er ihr aus dem Weg gegangen und hatte sie behandelt wie ein scheues Tier. Doch noch immer versteckte Amber sich, wann immer ein Mann das Haus betrat, wich jedem Blick aus und sprach mit niemandem außer Mina.
Die Vorstellung, mit ihr zusammenleben zu müssen, prickelte unangenehm in Neels Nacken. Sie tat ihm leid. Ein Umzug - zu ihm -würde sie aus der hauchdünnen, zerbrechlichen Blase reißen, die sie um sich herum aufgebaut hatte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er mit ihr umgehen sollte, er kam ja noch nicht einmal mit sich selbst zurecht. In den letzten Wochen hatte ihn fast jede Nacht eine zornige, alles vernichtende Einsamkeit übermannt. Und tagsüber kochte eine Wut in ihm, die danach lechzte, sich gegen irgendjemanden richten zu können. In seinen Träumen war es Matthial, an dem er Rache nahm. Aber Matthial war weit weg. Die Vorstellung, jemanden um sich zu haben, der ihm ausgeliefert war, machte Neel Angst. Was, wenn die Wut zu groß wurde? Was, wenn er sich nicht mehr im Griff hatte? Was, wenn es irgendwann zu verlockend wurde, dass Amber mit niemandem sprach ...
Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken, aber die Sorgen ließen nicht von ihm ab. Sie klebten an ihm wie Schlamm, der am Körper festpappte.
Cloud trat ein, setzte sich schweigend und blickte beschwichtigend zu Boden.
Erst als Neel sich wieder entspannte, stellte er fest, dass Clouds Erscheinen ihn unruhig gemacht hatte. Seine Haut war so zäh und unempfindlich geworden, dass er seine eigenen Empfindungen nicht mehr spürte, die sich früher mit einem Kribbeln und einem leichten Schaudergefühl bemerkbar gemacht hatten. Nicht mehr zu fühlen, fühlte sich ... tot an. Er war eine Leiche, nur sein Herz wollte es nicht wahrhaben und schlug trotzig weiter.
Cloud wartete geduldig, bis Neel ihm direkt ins Gesicht sah.
Er war sich nicht ganz sicher, was er dort erkannte. Besorgnis? Skepsis? Früher hätte er es gewusst, hatte die Emotionen anderer über seine Haut wahrgenommen. Nun war er auf seine anderen Sinne angewiesen. Ob es sich für einen Menschen ähnlich anfühlte, plötzlich nicht mehr sehen zu können? Er musste mit Alex darüber sprechen, als Blinde konnte sie ihm vielleicht helfen, und doch wusste er, dass er noch nicht den Mut hatte, sie zu sehen.
»Wie geht es deinem Regiment?«, fragte Cloud, aber Neel war allen Unsicherheiten zum Trotz klar, dass sein ehemaliger Mentor das nicht wirklich wissen wollte. Cloud bemühte sich lediglich, einen Gesprächsfaden zu finden.
»Sie arbeiten an sich.«
»Aber?«
Neel nahm einen Schluck Tee. »Du kennst mein Problem, oder? Warum stellst du mir solche Fragen?«
»Weil«, erwiderte Cloud mit einem aufgesetzten
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