dark destiny
Schmunzeln, »du dein Problem nicht kennst. Ich will es von dir hören, sprich es aus.«
Es fiel Neel schwer, den Kopf nicht vor Scham zu senken, sondern Clouds Blick scheinbar ungerührt zu erwidern. »Kein Respekt.«
»Die Männer haben keinen Respekt vor dir?«
Ich habe keinen Respekt vor mir. »Unter anderem.«
Cloud nickte, als würde er verstehen.
Nichts verstand er; doch kaum hatte Neel den Gedanken zu Ende gedacht, schoss ein weiterer durch seinen Kopf: Was verstand er selbst denn von Cloud? Was hatte dieser alles gesehen und erlebt? Neel musste zugeben, dass er kaum etwas über Cloud wusste. War es möglich, dass er sehr wohl verstand?
»Wen respektierst du, Neel?«
Stille. In der Küche hantierte Mina mit dem Geschirr, von draußen erklang das Geklapper von Pferdehufen.
»Tut mir leid«, sagte Neel, und das war die Wahrheit. Es war nicht Clouds Schuld, dass er während des Chivvys gefangen genommen worden war. Es war nicht Clouds Schuld, dass die Rebellen ihn der Sonne ausgesetzt hatten. Es war nicht einmal Clouds Schuld, dass man mit ihm wie mit einem Stück Fleisch Handel getrieben hatte.
Und doch konnte Neel ihm nicht verzeihen. Denn all das war Joys Schuld und ihr konnte er keinen Vorwurf machen. Joy war nicht freiwillig bei ihm gewesen, sondern auf Befehl von Cloud. Irgendjemand musste die Schuld tragen. Für Neel war sie zu schwer.
»Du bist hier, Neel, weil ich dir ein letztes Mal eine Arbeit anbieten will, die dein Problem mit deinem Regiment löst. Arbeit, die ich nicht jedem anvertrauen kann.«
Das war interessant. Neel versteckte seine Verwirrung hinter Ironie. »Ich habe mich in der Vergangenheit offenbar für solche besonderen Arbeiten qualifiziert. Was soll das für ein Job sein, den nur ein Versager erledigen kann?«
Cloud rollte mit den Augen. »Ich brauche jemanden, auf den ich zählen kann. Jemanden ...« Er machte eine Pause, als müsse er noch einmal überdenken, ob Neel dafür wirklich der Richtige war, und zu Neels Ärger machte ihn genau das neugierig.
»... jemanden, der mit Wahrheiten zurechtkommt, die die meisten weder verstehen noch ertragen können.«
»Und da denkst du ausgerechnet an mich?«
»Ich denke ausschließlich an dich. Abgesehen von dir gibt es niemanden, dem ich diesen Auftrag erteilen würde.« Cloud senkte den Kopf und rieb die Lippen aufeinander. Er sah aus wie jemand, der außer der guten Nachricht noch eine schlechte zu überbringen hatte und es nicht wagte, das Unangenehme auszusprechen.
Neel gefiel dieser Anblick nicht; er bevorzugte es, Cloud so zu sehen, wie er ihn früher wahrgenommen hatte: souverän, überlegen und sich seiner Sache absolut sicher. Hatte auch Cloud sich verändert? Oder sah Neel schärfer, nach allem, was passiert war?
»Es ist ein gefährlicher Auftrag.«
Neel zuckte mit den Schultern. Gefahr beeindruckte ihn nicht länger.
»Möglich, dass du ihn nicht überlebst. Oder nicht lange.«
»Klingt doch verlockend.«
Cloud lächelte nicht, er grinste nicht einmal. »Früher war ich mir sicher, dass du der richtige Mann bist. Du weißt es nicht, aber ich habe dich für diese Aufgabe ausgebildet, Neel. Heute verspüre ich Zweifel. Ich habe die Befürchtung, dich in den Tod zu schicken, und das will ich nicht.«
»Und das war früher nicht so? Da hättest du es einfach hingenommen, wenn ich draufgegangen wäre?« Neel merkte, dass sein Zynismus Cloud nicht traf, und das ärgerte ihn. Der Mann musste doch zu provozieren sein! Irgendwie musste man ihm ein paar ehrliche Emotionen entlocken können, nicht bloß förmliches Gerede.
»Früher war ich mir sicher, dass du es schaffst. Jetzt fürchte ich, dass du die Herausforderung nur annimmst, um an ihr zu scheitern. Endgültig.«
»Wenn ich mich umbringen wollte«, fuhr Neel mit ungewollter Heftigkeit auf, »würde ich es selbst tun. Dafür brauche ich deine seltsame Aufgabe nicht.«
»Nun, Neel, und da bin ich mir leider nicht mehr sicher. Ich beobachte dich und ich sehe dich nur noch hinnehmen, akzeptieren, ausweichen und alles schlucken. Ich sehe dich nicht mehr kämpfen. Doch du wirst kämpfen müssen.«
Ein Wofür lag Neel auf der Zunge. Gib mir einen Grund. Doch er sagte nur: »Noch mal, Cloud: Was ist das für ein Job?«
Cloud erhob sich. »Willst du zum Verräter werden für mich?«
Die Worte hingen eine Weile in der Luft. Unheilvoll, aber ohne Schaden anzurichten. Sie vermochten es nicht einmal, das süffisante Grinsen aus Neels Gesicht zu wischen, er spürte es
Weitere Kostenlose Bücher