Dark Future: Herz aus Eis
schnell. Und ich bin dünn. Viele Stellen, an denen sich eine schnelle, kleine Maus verstecken kann.«
»Ja. Das hast du gut gemacht.« Sie sah ihn an, und er zuckte angesichts ihres Lobs nur scheinbar lässig mit den Schultern, obwohl sie ihm ansehen konnte, dass er sich freute.
»Meinst du, sie finden das Mädchen, das sie suchen?«, fragte sie angespannt.
»O ja. Ich habe ihnen genau gesagt, wohin sie gegangen ist.« Ben nickte weise. »Ich habe mir Zeit gelassen. Als würden sie es aus mir herauspressen. Dann habe ich es ihnen gesagt. Richtung Süden. Raina Bowen ist Richtung Süden gefahren. Sie hat gesagt, sie wolle zum Äquatorialgürtel. Meinte, sie wolle die Sonne sehen.«
Raina blinzelte und lächelte ihn dann an. Er erwiderte ihr Lächeln, stoppte aber abrupt, zuckte zusammen und fuhr mit den Fingerspitzen über seine geschwollene Lippe. »Nicht meine Schuld, dass ich einen miserablen Orientierungssinn habe. Ich konnte rechts und links noch nie auseinanderhalten. Oder Norden und Süden.«
Der jaulende kleine Hund kam auf sie zugestürzt, rannte zwischen ihren Beinen hindurch und lief dann wieder weg, als eines der Kinder ihn herbeirief. »Komm her, Spike! Zeit für dein Fressen.«
»Spike?« Raina lachte.
Ben sah sie eine Weile an, ehe er ihr leicht gegen die Schulter boxte. Ein Zeichen seiner Freundschaft. Dann drehte er sich um, stolzierte zu der Gruppe Kinder und folgte mit seiner Bande kurz darauf Trey, der sie mit der Aussicht auf warmes Essen und eine beheizte Unterkunft lockte.
In ihren Parka gekuschelt ließ Raina den Wind über sich hinwegwehen, während sie beobachtete, wie sie davongingen. Sie war noch nicht bereit, der Gruppe ins Innere des Hauses zu folgen. Sie brauchte Zeit. Zeit, um zu fühlen. Zeit, um nachzudenken. Duncan Bane war ins Ödland gekommen, und er würde nicht eher ruhen, bis er sie gefunden hatte.
Die Angst war ein endloses, eisiges Loch, und sie weigerte sich, sich selbst hineinfallen zu lassen.
Sie schluckte und ließ den Blick wieder langsam über den Horizont schweifen. Die Zeit, für die Nacht abzurechnen, die schon so lange her war, war endlich gekommen. So viele Jahre war sie auf der Flucht gewesen und hatte gewusst, dass er da draußen war und nur auf seinen Moment wartete. Doch warum ausgerechnet jetzt? Warum suchte er sie jetzt, nachdem Sam tot war?
»Ach so«, sagte sie laut, als es ihr klarwurde. Ja. Das erklärte einiges.
Nachdem Sam tot war.
Bane war zerrissen – einerseits war er ein Mann mit einem sehr ungeduldigen Naturell, andererseits ein Meister der Strategie. Wenn ihn eine Idee packte, dann plante er und wartete und beobachtete, um dann jede Sekunde seiner Rache zu genießen. Sie schloss die Augen und rief sich sein Gesicht in Erinnerung, das grauenvolle Gefühl seiner groben Hände, den süßlichen Geruch seines Atems.
Sie erinnerte sich an das Blut, den scharfen, metallischen Geruch, wie es über ihre eigene Wange gespritzt war, und sein Aufheulen vor Schmerz und Zorn, animalisch in seiner Intensität. Das Geräusch hatte sie in die Nacht verfolgt, als sie aus seinem luxuriösen Schlafzimmer geflohen war – eine Zwölfjährige, die halbnackt in die Dunkelheit rannte, um dem Schicksal zu entkommen, für das ihr Vater verantwortlich gewesen war.
Sam war kein guter Vater gewesen, aber er war alles gewesen, was sie gehabt hatte. Nachdem er nun tot war, war sie vollkommen allein.
Allein. Bane gefiel das. Es war der Grund, warum er schließlich gekommen war, um sie zu holen.
»Aufrichten. Umdrehen. Werfen.« Raina erhob sich aus ihrer zusammengekauerten Position, wirbelte herum, zielte und warf ihr Messer in einer fließenden Bewegung auf das Ziel. Die Klinge bohrte sich in einen großen, mit Lumpen gefüllten Sack, der an einer zerbröckelnden Mauer lehnte.
Ben stieß einen Pfiff aus und schüttelte den Kopf, als er loslief, um das Messer aus dem herzförmigen Ziel zu ziehen, das sie auf den Sack gemalt hatten. »Verfehlst du das Ziel auch mal?«
Mit dem Griff voran reichte er ihr das Messer.
Raina dachte an ihre eigenen Jahre des Trainings zurück. Für jeden Fehlwurf hatte sie eine Ohrfeige von Sam kassiert. »Ich versuche, das zu vermeiden.«
»Du versuchst, das zu vermeiden? Wir üben das seit einer Woche jeden Tag, stundenlang. Und du hast kein einziges Mal nicht getroffen.« Ben fuhr sich mit der behandschuhten Hand über die Nase.
Wenn du das Ziel verfehlst, stirbst du.
Sam hätte sie für einen Fehlversuch geschlagen, und
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