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Dark Future: Herz aus Feuer

Dark Future: Herz aus Feuer

Titel: Dark Future: Herz aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Kenin
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Tochter erstochen zu haben?
    Tatiana bezweifelte das; sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Reue Gemma so schnell eingeholt hatte. Und das hieß, dass ihre Bemerkung auf etwas anderes bezogen war, das ihr zu schaffen machte …
    Tatiana öffnete das Portal noch ein Stückchen weiter, um Gemmas Geist zu lesen, Antworten zu suchen, doch sie fand nur einen trüben Sumpf aus Schmerz und Entsetzen.
    Wieder erfasste Tatiana eine böse Vorahnung.
    Gemma bereute nicht, dass der Kerl sterbend im Schnee lag, sie bedauerte etwas ganz anderes. Und Tatiana hatte das dumme Gefühl, dass es, was auch immer es war, alles andere als gut für
sie
war.
    Mit einem Kopfschütteln blickte Gemma zu dem Schneemobil, das sich näherte.
    »Es tut mir leid.« Der Wind trug ihr Flüstern zu Tatiana. »Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Aber er wird wissen, was zu tun ist. Er weiß es immer.«
    Tatiana folgte ihrem Blick.
    Gemma drehte sich um und ging. Das Knirschen ihrer Schritte auf dem Eis – langsam und bedrückt – zeigte, dass sie in diesem Akt keinen Trost gefunden hatte.
    Der Vergewaltiger stöhnte und lenkte Tatianas Aufmerksamkeit auf sich. Konnte sie ihm helfen? Ihn heilen?
    Sollte
sie?
    Sie hatte niemanden, der ihr helfen konnte, die richtige Richtung zu wählen. Was sie über Moral und Ethik wusste, über Richtig und Falsch, was sie über das Leben wusste, hatte sie von einem Computer gelernt. Und von Bane oder Ward und von den gestohlenen Gedanken der Gefangenen, die in einem ähnlichen Gefängnis wie sie gehalten worden waren. Was so viel bedeutete wie: Sie wusste so ziemlich überhaupt nichts.
    Sie hockte sich neben den Kerl und wertete kurz die Situation aus. Er schien einen Schock zu haben. Seine Augen waren glasig, sein Mund stand offen, seine Haut hatte die mattgraue Farbe eines Sim-Proteinriegels. Sie schätzte die Schwere seiner Verletzungen ein und schob seine Hände zur Seite, damit sie das Ausmaß des Schadens begutachten konnte. Es überraschte sie ein bisschen, dass er es widerstandslos zuließ.
    Das Messer war durch Haut und Muskeln gedrungen, hatte seinen Bauch tief aufgeschnitten, Dick- und Dünndarm teilweise durchtrennt. Dennoch war die Menge an Blut zu groß, es war zu viel, um sich durch diese Verletzungen erklären zu lassen.
    Mit der stumpfen Seite von Gemmas Messer schob sie die feucht glänzenden Schlingen des Darms zur Seite, achtete darauf, dass sie nicht noch mehr Schaden anrichtete, und legte die Aorta frei. Gemmas Stoß hatte das Bauchfell durchschlagen und die dicke Ader ein Stück weit geöffnet. Bei jedem Pulsschlag spritzte eine Welle von Blut heraus.
    Ohne schnelle chirurgische Hilfe würde dieser Mann sterben.
    Also hatte sie ihre Antwort: Nein, sie konnte ihn nicht retten. Trotzdem war sie hin- und hergerissen. Wenn die Verletzungen anders gewesen wären, hätte sie dann einen Versuch unternommen?
    Es gab keinen Zweifel daran, dass der Mann das Verbrechen begangen hatte, das ihm zur Last gelegt wurde. Und noch Schlimmeres. Wer zum Teufel war sie, als seine Retterin aufzutreten oder ihm den Gnadentod zu schenken und sich in die Gesetze und Sitten einzumischen, die diese Menschen hatten?
    Sie hob den Kopf und stellte fest, dass alle gegangen waren – bis auf einen Mann. Der Nachzügler, schoss es Tatiana durch den Kopf. Sie erkannte den Scooter wieder, als sie einen Blick über die Schulter warf. Das war der Mann, von dem Gemma glaubte, dass er auf alle Fragen eine Antwort hatte.
    Er stieg von seinem Schneemobil und kam auf sie zu. Die dunklen Kleider, die er anhatte, wehten im Wind. Jeder Schritt näher zu ihr weckte in ihr das Gefühl, dass das endlose Ödland irgendwie kleiner geworden war. Er beanspruchte Raum und Luft und Licht.
    Sie nahm Gemmas Messer anders in die Hand, verbarg die Klinge in der Handfläche.
    Als er zu ihr kam, ging er um sie herum. Jeder seiner Schritte und jede Bewegung seines Körpers wirkten entschlossen und zielgerichtet. Irgendetwas daran kam ihr bekannt vor.
    Sie erhob sich und drehte sich mit ihm um, aufmerksam und nicht gewillt, ihm den Rücken zuzuwenden.
    Als sie nun stand, konnte sie sehen, dass er groß war, weit über eins achtzig. Die Schichten der Thermokleidung verbargen seine Züge und seine Figur, doch ihr fiel die Art auf, wie er sich bewegte. Voller Selbstsicherheit und männlicher Anmut, voller Risiko und Gefahr.
    Wieso kamen ihr diese Gedanken?
    Weil sie ihn kannte. Der Gedanke ging wie ein Flüstern durch sie und war zu

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