Dark Heart: Zweiter Band
nicht falsch: Ich weiß, dass ich ohne eure Hilfe gestorben wäre. Aber ich will wissen, welchen Preis ich dafür zahlen muss.«
»Soweit wir wissen, keinen«, sagte Mom. »Deine Blutbefunde sind in Ordnung. Es wurde nichts Auffälliges entdeckt.«
Dad starrte vor sich hin. Seine Miene verriet, dass er innere Zwiesprache hielt. Schließlich lächelte er traurig und sah meiner Mutter fest in die Augen. »Ich habe es schon immer geahnt.«
Sie sah ihn fragend an.
Dad ergriff meine Hand. »Dass Lydia nicht meine Tochter ist. Wenn ich in ihre Augen schaue, sehe ich vieles. Aber nicht mich.« Seine Stimme klang auf einmal belegt. »Aber das macht keinen Unterschied, Lydia. Ich liebe dich und das wird immer so bleiben.«
Ich schluckte meine Tränen hinunter und nickte. »Ich weiß.«
Dad sank in sein Kissen zurück und starrte an die Decke. »Keine Geheimnisse mehr. Ich möchte von jetzt an immer die Wahrheit hören, egal wie unglaublich sie scheinen mag.«
Mom setzte sich auf die Bettkante, nahm seinen Kopf in beide Hände und küsste ihn zärtlich. »Das verspreche ich dir.«
Der Blick, den die beiden miteinander tauschten, war wie ein neuer Anfang. Erleichtert schloss ich die Augen.
»Gut. Und bevor wir jetzt alle in Tränen der Rührung ausbrechen, sollten wir uns überlegen, was wir als Nächstes unternehmen wollen«, sagte Grandma und wischte sich mit einem Taschentuch über die Augen.
»Ich versuche die Ärzte zu überreden, dass sie mich spätestens morgen Früh nach Hause lassen«, sagte Dad. »Dann werde ich mir in der Wirtschaftsredaktion alle Informationen über den Rückzug von Charles Solomon besorgen: ›Auferstanden von den Toten‹.« Er zwinkerte und schüttelte den Kopf. »Sieht so aus, als hätten er und ich etwas gemeinsam.«
Kyle war noch…
K yle war noch immer nicht wieder aufgetaucht, obwohl die Polizei eine groß angelegte Suchaktion gestartet hatte. Falls nun doch Vampire mit seinem Verschwinden zu tun hatten, tendierte die Wahrscheinlichkeit, dass er noch am Leben war, gegen null. Lilith McCleery versprach aber, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihn zu finden. Und so gaben wir die Hoffnung nicht auf.
Mein Kontakt zu Jack war mittlerweile komplett abgebrochen. Sosehr ich mich auch anstrengte, ich spürte eine Kraft, die mich zurückstieß. Ich musste an Liliths warnende Worte denken: Sie und der Vampirrat sorgten dafür, dass sich die Gemeinschaft der Nachtgeschöpfe an das Abkommen mit den Menschen hielt. Die Einzigen, die sie nicht kontrollieren konnte, waren jene Vampire, deren Schöpfer den endgültigen Tod gefunden hatten. Diese Nachtgeschöpfe waren der Macht der Königin entzogen. Was immer sie taten, sie taten es ohne Angst vor Strafe. Jack hatte mir erzählt, dass die meisten von ihnen hoch im Norden lebten, wo sie im Verborgenen auf die Jagd gehen konnten.
Es gab also zwei Arten von Vampiren: solche, die in den Großstädten die Nähe der Menschen suchten und in Frieden mit ihnen lebten. Und solche, die als Freie in der Wildnis lebten. Vor ihnen musste man sich besonders in Acht nehmen. Jack glaubte, sie seien wie wilde Tiere. Was mochte erst geschehen, wenn ein Mächtiger sie unter dem Banner eines gemeinsamen Zieles sammelte?
Ich versuchte alle Gedanken an Jack zu verdrängen, sein Misstrauen tat mir weh. Er hatte Lilith gegenüber zwar einen Eid geleistet, aber nicht ihr Blut getrunken. Jack war keine Marionette der Königin. Warum also weihte er mich nicht in seine Mission ein? Aber vielleicht hatte Jack Recht: Warum sollten wir miteinander in Kontakt bleiben, wo wir doch wussten, dass wir nie zusammen sein konnten? Warum sollten wir uns mit dieser unerfüllbaren Liebe quälen?
Am nächsten Tag kam Dad aus dem Krankenhaus. Es war eine stille Heimkehr ohne Triumph. Natürlich hatte er sich verändert, genau wie Mark. Dad war nachdenklicher geworden, schweigsame r – ein Überlebender, den die Nähe zum Tod gezeichnet hatte.
Wir hatten eine kleine Feier vorbereitet, keine große Sache. Ein gutes Essen und einen teuren Wein, mehr nicht. Außer Mark hatten wir niemanden eingeladen. Grandma hatten wir gar nicht erst gefragt, da wir ohnehin wussten, dass sie nicht kommen würde. Sie mochte solche Familienzusammenkünfte nicht und blieb lieber allein zu Hause. Stattdessen kam Hank, um auf uns aufzupassen. Er war der Einzige, der zum Lammbraten ein Bier trank.
Wir redeten kaum ein Wort. Im Hintergrund lief Mom und Dads Lieblingsstück, The Sun ain’t gonna shine
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