Dark Heart: Zweiter Band
leisten können.«
Wir folgten Grandma und Lilith hinauf ins Arbeitszimmer, das niemand aufgeräumt hatte. Noch immer lagen botanische Bücher, sprachwissenschaftliche Abhandlungen, Notizblätter und alte Zeitungsausschnitte über Morde und ungeklärte Todesfälle kreuz und quer über den Boden verstreut. Ich war nicht sicher, ob es der Königin mittlerweile gelungen war, die fehlenden Seiten der Übersetzung zu rekonstruieren. Mark runzelte die Stirn beim Anblick dieses Papierberges.
Lewis erschien, servierte einen heißen Tee und schloss dann diskret die Tür hinter sich, während Hank sich auf das Ledersofa setzte. Grandma hatte sich in einem Sessel niedergelassen, der so wuchtig war, dass sie fast darin versank.
Lilith begann ohne Umschweife: »Ich benötige Ihre Hilfe, M s Kinequon. Wie Sie wissen, will Charles Solomon den Rat der Nachtgeschöpfe auslöschen. Wir müssen ihn irgendwie stoppen.«
Mark ging in die Hocke und hob einen der Zeitungsausschnitte auf. Ein Foto zeigte das Sommerhaus, wo sein Vater zusammen mit Keren Demahigan gelebt hatte. Die Schlagzeile sprang einen geradezu an: Das Horrorhaus von Alder Cree k – wie viele Menschen sind hier gestorben? Er legte den Ausschnitt wieder zurück. »Was würde Solomon gewinnen, wenn alle Mitglieder des Rates den endgültigen Tod erleiden?«
Lilith strich mit ihren langen Fingern über die Narbe am Hals. »Um diese Frage beantworten zu können, müssen Sie verstehen, was für ein Mensch Charles Solomon ist. Er hasst uns Nachtgeschöpfe von ganzem Herzen. Gleichzeitig beneidet er uns um unsere Macht.« Sie nahm die Mappe mit der Voynich-Übersetzung in die Hand. »Als er Miltons Arbeit zum ersten Mal las, muss er einen ungeheuerlichen Plan gefasst haben. Solomon will das Beste zweier Welten in sich vereinen: Unsterblichkeit, ewige Jugend, körperliche und geistige Fähigkeiten, von denen ein Normalsterblicher nur träumen kann.«
»Er will die Kräfte der Nachtgeschöpfe, aber ohne die Einschränkungen, die sie an ihre Gefährten binden: Sonnenallergie, Silberunverträglichkei t …«, vollendete ich Liliths Gedanken.
»Richtig. Doch er weiß: Solange die Gemeinschaft der Nachtgeschöpfe existiert, wird er diesen wahnsinnigen Plan nur sehr schwer in die Tat umsetzen können. Solomon will das Chaos. Im Moment hat er alle, die Nachtgeschöpfe und die Wächter, gegen sich. Diese Allianz will er aufbrechen. Denn sollte das Stillhalteabkommen zwischen Wächtern und Vampiren aufgekündigt werden, hat er schon bald leichtes Spiel mit den Menschen wie auch mit den Nachtgeschöpfen. Er muss einfach nur abwarten, bis wir uns gegenseitig ausreichend geschwächt haben, und dann wird er uns angreifen.« In ihren Augen war wieder dieses bedrohliche rote Glimmen.
»Was ist Ihr Plan?«, wollte Grandma wissen.
»Ich muss den Rat einberufen.«
»Hier, in der Mountain View Lodge?« Hank lachte laut auf. »Das ist Irrsinn! Das wäre doch genau die Gelegenheit, auf die Solomon wartet: alle Ratsmitglieder an einem Ort. Er brauchte nur noch zuzuschlagen!«
»Ich habe leider keine andere Wahl«, sagte Lilith.
»Vampire können doch auch telepathisch Kontakt aufnehmen«, sagte Grandma. »Könnten Sie nicht auf diesem Weg mit den anderen sprechen?«
»Nicht mit allen gleichzeitig.« Lilith sah meine Großmutter eindringlich an.
Die Vampirkönigin fühlte sich sichtlich unwohl in der Rolle der Bittstellerin. »Wenn ich diese Versammlung einberufe, benötige ich die Unterstützung der Wächter. Meine Wachen alleine werden die Sicherheit der Fürsten am Tage nicht garantieren können.«
Grandma sah Hank fragend an.
Er holte tief Luft. »An welche Aufgaben denken Sie?«
»Keinen Personenschutz«, stellte Lilith klar. »Den werden meine eigenen Leute übernehmen. Es geht nur um die Sicherung des Anwesens und der Zufahrtswege.«
Hank dachte nach. »Ich kenne das Gelände. Vierzig, vielleicht fünfzig Mann müssten reichen. Dazu das ganze Programm mit Nachtsichtgeräten, Wärmebildkameras, Bewegungssensoren.« Er sah Grandma an und zuckte mit den Schultern. »Geben Sie mir eine Woche zur Vorbereitung, dann sollte es hinhauen.«
»Sie haben einen Tag«, sagte Lilith.
»Wie bitte?«, entfuhr es Hank.
»Einen Tag«, wiederholte Lilith. »Morgen werden die Fürsten eintreffen. Wir können uns keine Verzögerung mehr leisten.«
Er schüttelte energisch den Kopf. »Das ist unmöglich!«
»Lilith McCleery hat Recht«, sagte Grandma. »Uns läuft die Zeit davon.«
Ich konnte
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