Dark Heart: Zweiter Band
der sich unter Jack wie eine Schlange wand. Er hielt inne und starrte mich an.
»Wenn du leben willst, trink mein Blut«, sagte ich.
Der Trapper zögerte. Jack riss die silberne Kapsel von seinem Hals und hielt sie dem Vampir so nahe vors Gesicht, dass er laut aufschrie. Zitternd öffnete der Trapper den Mund und fuhr sich mit der Zunge über die bebende Unterlippe. Augenblicklich durchfuhr ihn ein Krampf, der jeden Muskel seines gewaltigen Körpers spannte. Er warf Jack ab und drückte den Rücken durch, sodass es für einen Moment aussah, als wollte er sich in die Luft erheben. Der kehlige Schrei, den er dabei ausstieß, war unmenschlich. Gleichzeitig sackten die anderen Nachtgeschöpfe leblos in sich zusammen, als wären sie Marionetten, deren Fäden man durchtrennt hatte. Die Verbindung zu ihrem Schöpfer war zusammengebrochen.
Jack kroch wieder zum Mad Trapper zurück und setzte das Messer mit beiden Händen auf seinen Brustkorb, bereit, es ihm ins Herz zu stoßen, falls die Rückverwandlung doch nicht eintrat.
Doch seine Angst war unbegründet. Im Schein der Handlampe beobachteten wir, wie das dreckverschmierte Gesicht des Trappers langsam wieder eine rosige Farbe annahm. Als wäre er gerade dem Ertrinken entronnen, sog er gierig die kalte Nachtluft ein. Als er ausatmete, bildete sich eine kleine Dampfwolke vor seinem Mund. Erschöpft ließ Jack das Messer sinken.
Mark war inzwischen wieder zu sich gekommen und richtete sich mühsam auf. »Danke«, sagte er keuchend und streckte Jack die Hand entgegen.
Jack ergriff sie und ließ sich hochziehen. Er war so außer Atem, dass er nur nicken konnte.
Bevor Jack etwas sagen konnte, nahm ich sein Messer und eilte zu den anderen Nachtgeschöpfen, die noch immer bewusstlos im Schnee lagen.
»Was hast du vor?«, rief er mir hinterher.
Ich zog den Ärmel meiner Jacke hoch. Die Wunde, die ich mir beigebracht hatte, blutete nur noch leicht. »Ich werde sie zurückverwandeln«, sagte ich.
»Warte!«, rief er und taumelte auf mich zu. »Tu es nicht. Bitte.«
»Warum?«, fragte ich verständnislos.
»Vielleicht wollen sie ja bleiben, was sie sind«, sagte Jack.
»Das ist nicht dein Ernst! Sieh sie dir doch an! Ihr Zustand ist erbärmlich!« Ich umklammerte den Griff des Messers fester, doch Jack hielt mich am Handgelenk fest.
»Du hast kein Recht dazu«, sagte er. »Sie sind frei! Sie können selbst entscheiden, ob sie ihr altes Leben wiederhaben wollen.«
»Eine Wahl, die du nicht hattest.«
Jack schwieg. Aber dass er mir nicht in die Augen schauen konnte, war Antwort genug.
»Du vermisst es, ein Nachtgeschöpf zu sein!«
»Versteh mich nicht falsch«, sagte er leise. »Es ist wunderbar, die Sonne zu sehen. Wieder Dinge schmecken zu können. Das Herz schlagen zu spüren. Atmen zu können. Aber ich habe zwei Drittel meines Lebens als Nachtgeschöpf zugebracht. Vor meiner Verwandlung war ich ein Nichts, ein Niemand, der froh sein konnte, auf die Kunstakademie zu dürfen. Ein Mensch ohne Ehrgeiz, ohne Träume, der sich vor dem Leben fürchtete.«
»Und diese Angst hast du immer noch«, stellte ich fest.
»Schau mich an. Wer bin ich denn?« Jack lächelte traurig. »Lydia, ich vermisse mein Leben als Nachtgeschöpf so sehr, wie ich unsere Vertrautheit vermisse!«
In diesem Moment hätte ich ihn am liebsten geküsst, in den Arm genommen und ihn nie wieder losgelassen. »Jack, mir ist es egal, was du bist!«, flüsterte ich.
»Mir aber nicht«, sagte er. »Als mich dein Blut in einen Menschen zurückverwandelt hat, ist etwas in mir gestorben. Etwas, was ich wiederhaben möchte.«
Ich trat zurück, wie vor den Kopf gestoßen. Er sah mich so verzweifelt an, dass es mir beinahe das Herz brach.
»Es tut mir leid«, flüsterte ich. »So unendlich leid.«
Er zuckte mit den Schultern, so als ob an dieser Tatsache nun nichts mehr zu ändern wäre, und wandte sich von mir ab.
Das Innere der…
D as Innere der Hütte, die so groß wie ein ausgewachsenes Blockhaus war, sah aus, als wäre es von einem heftigen Tornado verwüstet worden. Mark hatte sein Gewehr und den Rucksack an eine Wand gelehnt und stand jetzt im Schein zweier Petroleumlampen inmitten eines riesigen Durcheinanders. Die Hände hatte er in den Hosentaschen vergraben.
»Solomon hat ganze Arbeit geleistet.« Er deutete auf das zertrümmerte Bett, die zerrissenen, stockfleckigen Bücher und den umgekippten Ofen. Die wenigen Möbel waren bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert, etliche Dielen aus dem Boden
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