Dark Inside (German Edition)
Sie begann zu weinen. Dicke Tränen rannen ihr über die Wangen. »Es tut mir so leid.«
»Es ist nicht deine Schuld.« Er zog sie an sich und strich ihr über das Haar. Das Gefühl der Enge, das sich in seiner Brust bildete, ignorierte er.
»Ich hätte es dir sagen sollen. Ich hätte irgendwas sagen sollen. Aber ich wollte einfach nicht, dass du gehst. Ich hatte solche Angst, dass du mich verlässt.«
»Ich bin doch hier. Ich gehe nicht weg.«
»Wirklich?«
»Ich verspreche es.«
Er hielt sie fest. War das genug? Sollte er nicht mehr tun? Chickadee weinte sich die Augen aus, während er sie in seinen Armen hielt. Er hatte so viele Fragen, die er ihr stellen wollte, doch er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Er wusste nichts über Diabetes, bis auf die Tatsache, dass sie Insulin brauchte, um überleben zu können. In der Grundschule war ein Junge in seine Klasse gegangen, der sich jeden Tag eine Spritze geben musste. Bedeutete das, dass sie sterben würde? Menschen mit Diabetes hatten doch ein ganz normales, langes Leben. Oder irrte er sich da?
»In der Stadt gibt es einen Drugstore«, sagte er schließlich. »Kann ich dort etwas holen, was dir vielleicht hilft?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist zu spät. Ich habe sämtliche Apotheken durchsucht, die wir gefunden haben, und die meisten sind geplündert worden. Weißt du noch? Du hast mich einmal dabei erwischt und gedacht, ich wäre ein Junkie.« Sie versuchte zu lachen, doch es klang eher wie ein ersticktes Schluchzen. »In den ersten Wochen war es gar nicht so schwer, aber dann fiel überall der Strom aus. Insulin hat ein Verfallsdatum und muss kühl gelagert werden. Selbst wenn ich jetzt noch welches finden könnte, wäre es inzwischen abgelaufen. Ich bin wirklich vorsichtig gewesen, ich habe versucht, so wenig Zucker wie möglich zu essen, aber es nützt nichts mehr.«
»Du hast doch gesagt, dass du nicht krank bist.«
»Ich bin auch nicht krank. Ich habe eine chronische Krankheit. Das ist was ganz anderes als ein Schnupfen.«
»Aber warum hast du es mir verschwiegen? Ich dachte, wir wären Freunde. Ich dachte, wir wären …« Er brachte es nicht über sich, es auszusprechen. Was, wenn er sich irrte und sie ihn auslachte? »Du hättest es mir sagen sollen. Ich hätte versucht, dir zu helfen.«
»Ich hab’s vermasselt«, sagte sie. »Du hast recht. Ich hätte etwas sagen sollen. Aber ich hatte Angst. Du hast doch gesehen, was Paul getan hat. Er kennt mich schon sein ganzes Leben lang. Trotzdem hat er mich verlassen. Ich hatte solche Angst, dass du auch gehst.«
»Ich bin nicht Paul.«
»Nein, bist du nicht.«
Eine Weile saßen sie schweigend auf dem Bett. Keiner von beiden wusste, was er sagen sollte. Schließlich konnte Mason die eine Frage, die er stellen musste, nicht mehr zurückhalten.
»Und was heißt das jetzt?«
Er wollte die Antwort nicht wissen. Er wollte die Antwort nicht wissen. Er wollte die Antwort nicht wissen.
»Mason?«
»Ja?«
»Egal, was passiert, ich möchte, dass du mir etwas versprichst. Versprich mir, dass du nach Vancouver gehst und das Meer spürst. Aber steh nicht einfach nur da und sieh es dir an. Du musst es spüren.«
»Das Meer ist mir egal.«
»Mir aber nicht. Betrachte es als meinen letzten Wunsch.«
»Hör auf, so zu reden. Du wirst nicht sterben. Wenn du dich ein bisschen ausgeruht hast, wird es dir besser gehen. Vielleicht sollte ich doch in den Drugstore gehen und sehen, was ich dort finden kann, nur für den Fall.«
»Kannst du nicht lieber bei mir bleiben? Ich will nicht, dass du gehst.«
Er zog sie an sich. »Okay.«
»Aber versprich mir, dass du nach Vancouver gehen wirst.«
»Warum? Vancouver bedeutet mir jetzt nichts mehr.« Wie konnte sie nur über so etwas nachdenken, obwohl sie nicht einmal mehr die Kraft hatte, sich aufzusetzen?
»Mir schon.«
Er beschloss, ihr den Gefallen zu tun. »Okay. Ich verspreche es.«
»Versprich es richtig!«
Er hätte wissen müssen, dass sie sein leeres Versprechen durchschaute. Ihr entging nichts. Sie hatte gewusst, dass Paul in der Nacht, in der er die Geschichte erzählte hatte, gehen würde. Deshalb war sie auch so aufgewühlt gewesen. Und jetzt würde sie einfach nicht lockerlassen. Sie wollte wirklich, dass er nach Vancouver ging, und inzwischen kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass sie das, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte, auch bekam.
»Ich gebe dir mein Wort.« Dieses Mal meinte er es auch so.
Chickadee nickte kaum merklich. Sie
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