Dark Inside (German Edition)
ab und wartete darauf, dass er sich wieder unter Kontrolle bekam.
Hatte er eben tatsächlich einen Mann getötet? War er ein Mörder? Nein, es war Notwehr gewesen. Kein Gericht der Welt würde ihn dafür verurteilen. Aber er hatte den Tatort verlassen. Hätte er den Baseballschläger behalten sollen, als Beweis dafür, dass der Kerl eine Waffe gehabt hatte? Und wenn jemand vorbeikam und den Schläger mitnahm? Ein leiser Seufzer kam über seine Lippen. Der Mann war vielleicht tot und das Einzige, worüber Mason sich jetzt Sorgen machte, war die Frage, ob man ihn verhaften würde oder nicht.
Sollte er nicht an die Familie des Fremden denken? Sollte er nicht versuchen, sie zu finden? Machte sich vielleicht jemand Sorgen?
Plötzlich wurde ihm klar, dass ihm das alles egal war. Er hatte kein Mitgefühl übrig.
War er denn schon so tot in seinem Inneren?
Mason wusste, dass er zur Polizei gehen sollte, doch das war jetzt das Letzte, was er tun wollte. Er vergewisserte sich, dass die Türen verriegelt waren, dann machte er die Augen zu und lehnte sich zurück.
Wenn er eine Weile geschlafen hatte, würde es ihm bestimmt besser gehen.
CLEMENTINE
Sie hatte alles gehört.
Stimmen, die gebettelt und gefleht hatten.
Todesschreie.
Und dann war alles still gewesen.
Gegen vier Uhr morgens hatten die Schüsse endlich aufgehört. Kurz danach waren die Schreie leiser geworden und bald darauf war es ruhig geworden. Keine Stimmen mehr. Die einzigen Geräusche waren die Grillen gewesen und der Wind, der durch die Dachsparren pfiff.
Clementine versteckte sich in der Scheune. Sie war die knapp zwei Kilometer nach Hause gerannt, doch als sie angekommen war, hatte sie sofort gewusst, dass sie dort nicht sicher war. Was auch immer mit ihren Eltern und den anderen in der Gemeindehalle geschehen war, mit den übrigen Einwohnern von Glenmore würde das Gleiche geschehen. Sam hatte sie entkommen lassen. Und er hatte sie ausdrücklich davor gewarnt, nach Hause zu gehen. Dort würden sie zuerst hinkommen, wenn sie nach ihr suchten.
Nein, das »wenn« konnte sie streichen. Sie suchten ganz bestimmt nach ihr.
Es war nur eine Frage der Zeit.
Lieber Heath, ich habe mir selbst versprochen, dass ich erst wieder an sie denken werde, wenn ich in Sicherheit bin. Hilf mir, heil aus dieser Sache herauszukommen, dann kann ich das mit dem Nervenzusammenbruch nachholen.
Als sie vor ihrem Haus stand, fragte sie sich, was sie tun sollte. Es dauerte nicht lange, bis sie den Entschluss fasste, sich in der Scheune zu verstecken. Hinterher hatte sie viel Zeit, ihre Entscheidung zu bereuen. Sie hätte zu ihrem Mobiltelefon greifen und jemanden anrufen können. Sie hätte die Schlüssel für den Pick-up nehmen sollen. Wenn sie das getan hätte, wäre sie inzwischen schon auf halbem Weg nach Des Moines. Sie hätte Hilfe holen können. Sie hätte sich in einem Maisfeld verstecken können. Auf Dauer wäre sie dort sicherer gewesen.
Denn Clementine wusste, dass sie sofort in der Scheune nachsehen würden, wenn sie sie im Haus nicht fanden.
Sie war so dumm gewesen.
Und jetzt saß sie in der Falle. Vor ein paar Stunden, als sie in der Gemeindehalle zugange gewesen waren, hätte sie noch entkommen können. Die Farm ihrer Eltern lag genau an der Ortsgrenze. Inzwischen waren sie bestimmt schon in der Nähe.
Wie viele waren es? Sie war zu verängstigt gewesen, um sie zu zählen. Mindestens ein Dutzend, vielleicht mehr. Mit diesen Leuten war sie aufgewachsen. Sam. Vor nicht einmal einer Woche hatte er ihrem Vater geholfen, einen Zaun zu reparieren. Er war guter Laune gewesen und sie hatte ihm Limonade und ein paar Kekse von ihrer Mutter gebracht.
Sie hatte gedacht, dass sie diese Leute kennen würde. Mit ihnen waren Erinnerungen verbunden. Schöne Erinnerungen. Was hatte diese Menschen zu Killern gemacht?
Sie musste ins Haus. Genau genommen musste sie es nicht einmal richtig betreten. Die Schlüssel waren im Obstkorb auf dem Küchentisch, gerade einmal drei Meter von der Hintertür entfernt. In weniger als dreißig Sekunden konnte sie wieder draußen sein.
Doch jedes Mal, wenn sie ihr Gehirn davon überzeugen wollte, dass es viel logischer war, den Pick-up zu nehmen und wegzufahren, weigerten sich ihre Beine mitzumachen.
Lieber Heath, weißt du noch, letzten Sommer, bevor du aufs College gegangen bist? Du hast mir gesagt, wenn ich jemals Probleme mit Jungs hätte, sollte ich dich anrufen und du würdest sofort kommen und sie verhauen. Jetzt ist es so weit.
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