Dark Inside (German Edition)
gebrummelt.
Apropos Colin: Er saß in der ersten Reihe und ließ sich von Amanda Steeves, der Beleuchterin, trösten. Am liebsten wäre Aries zu ihm marschiert und hätte ihm eine schallende Ohrfeige verpasst, weil er einfach gegangen war und Sara alleingelassen hatte. Doch sie beherrschte sich. Es würde Sara nicht zurückbringen und sie würde ihm nur eine Szene machen, sonst nichts. Aries kannte ihn und es war genau das, was sie von ihm erwartet hatte. Sara hatte über seine eklatanten Charakterschwächen hinweggesehen, doch Aries ließ sich nicht täuschen. Colin war niemand, dem sie vertrauen konnte.
»Bist du verletzt?« Ms Darcy, ihre Schauspiellehrerin, klang besorgt.
»Nein, alles in Ordnung«, sagte sie.
»Wo warst du, als es losgegangen ist?«, fragte Becka, während sie herüberkam, um Aries zu umarmen. »Wir waren hier drin, als es passierte. Das ganze Gebäude hat gezittert. Ms Darcy wollte uns nicht rausgehen lassen, um nachzusehen. Hast du die Autos auf dem Parkplatz gesehen? Sie sind völlig demoliert. Und kein einziges Handy funktioniert.«
»Ich war im Bus. Da draußen herrscht Chaos. Es hat viele Verletzte gegeben. Der Strom ist ausgefallen und die Straßen sind blockiert. Die Rettungswagen kommen nicht durch.«
»Du warst mit Colin zusammen?« Becka drehte sich um und sah Colin ungläubig an. »Warum hast du uns nicht erzählt, dass du mit Aries zusammen warst? Wo ist Sara?«
Aries starrte Colin an. Er weigerte sich, sie anzusehen. Stattdessen interessierte er sich ausgerechnet jetzt für einen Scheinwerfer der Bühnenbeleuchtung.
»Sara ist tot«, antwortete Aries. »Es gab eine Menge Tote. Ich wäre schon früher gekommen, aber ich bin dortgeblieben, um zu helfen. Na ja, jedenfalls habe ich es versucht.«
»Nein.« Joy Woo, die Raupe, schlug die Hände vor den Mund.
Colin blieb sitzen und hörte ihr mit unbewegtem Gesichtsausdruck zu.
Da sah sie den Schmerz in seinen Augen. Er versuchte, ihn zu verstecken, doch Aries hatte ihn trotzdem bemerkt. Es war gut, dass es ihm doch etwas ausmachte, selbst wenn es ihm vorhin nur darum gegangen war, seine eigene Haut zu retten.
Ms Darcy, die tief bestürzt war, kam zu ihr. Sie nahm Aries’ Hand und drückte sie sanft. »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie leise. »Bist du sicher, dass du nicht verletzt bist?«
»Mir geht es gut. Ich hatte Glück.«
Becka begann zu weinen. Sie war genauso eng mit Sara befreundet gewesen wie Aries. Die beiden hatten nebeneinander gewohnt und waren praktisch miteinander aufgewachsen. Joy legte sofort den Arm um sie. Die anderen saßen wie betäubt da und konnten nichts sagen. Es war lange still und nur gelegentlich war ein ersticktes Schluchzen zu hören, wenn Becka das Gesicht in ihrer Jacke vergrub.
»Was sollen wir denn jetzt machen?«, murmelte Amanda.
Colin stand auf. »Ich gehe nach Hause.«
»Wir sollten hierbleiben«, sagte Aries. »Draußen ist es gefährlich.«
»Hier sind wir aber ein leichtes Ziel«, fuhr Colin sie an. »Und was ist mit Nachbeben? Dabei könnte das ganze Gebäude einstürzen.«
»Ich will nicht zerquetscht werden«, stammelte Joy.
»Niemand wird zerquetscht werden«, sagte Aries. »Auf dem Weg hierher habe ich einen Jungen getroffen. Er hat gesagt, die Schule sei jetzt der sicherste Ort, und ich bin der gleichen Meinung. Unsere Eltern wissen, dass wir hier sind. Sie werden uns holen, wenn das alles vorbei ist. Wir müssen nur Geduld haben und bleiben, wo wir sind.«
Viele Menschen werden sterben und das ist erst der Anfang.
Daniels Worte. Sie konnte den anderen nicht erzählen, dass er das gesagt hatte. Es klang irgendwie verrückt. Aber sie hatte es mit eigenen Augen gesehen: den Mob aus dunklen Schatten, der die Leute auf der Straße in Stücke gerissen hatte. Sie wusste, dass sie ihre Klassenkameraden warnen sollte, doch Becka sah aus, als würde sie jeden Moment die Nerven verlieren. Aries sah keinen Grund, ihr noch mehr Angst zu machen. Außerdem waren sie in der Schule sicher. Es war sehr unwahrscheinlich, dass jemand nach ihnen suchen würde, solange sie sich im Theater versteckten.
»Das sehe ich auch so«, sagte Ms Darcy. »Ich glaube, wir sollten warten, bis eure Eltern euch abholen. Wenn die Straßen freigeräumt sind, dürfte es nicht mehr allzu lange dauern.«
»Aber nur, wenn es ihnen gut geht«, sagte Becka. »Woher wissen wir, dass sie nicht tot sind?«
»Ich glaube, wir sollten im Moment alle etwas positiver denken«, sagte Ms Darcy. »Und zwar
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