Dark Inside (German Edition)
gezogen hatte, suchte er nach Paul, konnte ihn aber nicht finden. Mason beschloss, zur Apotheke hinüberzugehen, um Chickadee zu helfen. Zuerst konnte er sie gar nicht sehen, doch dann hörte er, wie hinter dem Tresen der Apotheke Flaschen in den Regalen bewegt wurden.
Er bog um die Ecke und sah, wie Paul und Chickadee Flaschen und Verpackungen aus den Regalen rissen und auf den Boden warfen.
»Hier ist nichts«, sagte sie. »Sie haben alles mitgenommen.«
»Das war’s dann also«, erwiderte Paul.
»Das war es nicht«, widersprach ihm Chickadee. »Wir finden schon was. Hier muss etwas sein. Sieh noch mal im Kühlschrank nach.«
»Er ist leer. Alles, was drin war, liegt auf dem Boden.«
»Was ist damit?«
»Abgelaufen. Vergiss es!«
Sie schob noch ein paar Flaschen zur Seite, wobei eine davon zerbrach. Das Geräusch von splitterndem Glas hallte durch den Supermarkt.
»Was macht ihr denn da?«, fragte Mason.
Chickadee zuckte zusammen. »Tu das nie wieder! Du hast mir gerade eine Scheißangst eingejagt.«
»Wenn ihr was zum Einwerfen sucht, finde ich das völlig daneben. Ohne mich.« Mason starrte Paul an, der einfach aufstand und wegging.
»Wir suchen nicht nach Drogen«, sagte Chickadee. »Und ich hätte nicht erwartet, dass du uns das unterstellst, Mason. Hast du mir vorhin eigentlich zugehört? Mit Drogen kann ich nichts anfangen. Ich trinke nicht mal Alkohol. Ich habe nur nach Penizillin gesucht. Ich habe Angst, dass aus der Erkältung eine Halsentzündung wird. Für so etwas bin ich ziemlich anfällig. Das ist alles. Ehrlich.«
»Aber hier ist nichts«, wiederholte Paul. Er ging seelenruhig zu dem Regal, vor dem Mason stand, und nahm eine rot-weiße Flasche Hustensaft herunter. »Du wirst dich damit begnügen müssen, Chee. Wenn es schlimmer wird, überlegen wir uns was anderes.«
Mason wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte ihnen glauben, er wollte ihnen wirklich glauben. Aber er war misstrauisch. Sein Gefühl sagte ihm, dass etwas faul war. Keiner der beiden sah zwar so aus, als würde er sich etwas aus Drogen machen, und ihm war auch nicht aufgefallen, dass sie sich merkwürdig benahmen oder irgendwie weggetreten waren, seit sie sich ihm angeschlossen hatten. Aber irgendetwas stimmte hier nicht. Er wusste nur nicht, was.
»Nicht böse sein, ja?«, meinte Chickadee. Als sie hinter dem Tresen hervorkam, sah er, dass sie nichts in der Hand hatte. Sie hielt ihren Rucksack auf und zeigte ihm den Inhalt. Nur Proteinriegel. »Ich nehme keine Drogen. Und genau genommen bin ich ziemlich sauer, dass du so etwas von mir denkst. Ich habe nicht gelogen.«
Mason nickte. »Schon okay. Ich glaube dir.«
Draußen ertönte ein Schuss. Schritte hämmerten über den Asphalt und eines der Schaufenster ging zu Bruch.
»Wir müssen weg!«, rief Paul.
Sie liefen in den hinteren Teil des Supermarkts und schlichen sich über die Laderampe hinaus. Draußen glühte der Himmel in Rot und Pink.
»Wir sollten uns einen Platz zum Schlafen suchen«, sagte Paul. »Es gibt hier so viele Hotels, dass wir wohl eines finden werden, in dem wir sicher sind.«
»Na dann los«, antwortete Chickadee. Sie grinste Mason an.
Sie entschieden sich schließlich für eine kleine Blockhütte in einem Hotel am Stadtrand. Mason ging zum Empfang und holte den Schlüssel, während Paul das Gelände durchsuchte, um sich zu vergewissern, dass niemand in den Büschen lauerte.
Das Zimmer war klein, mit einem Stockbett und einem Schlafsofa.
»Ich bekomme das Bett oben«, rief Chickadee. Sie kletterte hinauf und fing an, so heftig auf der Matratze herumzuhüpfen, dass sie fast mit dem Kopf an die Decke gestoßen wäre.
Mason setzte sich auf einen der Stühle und sah zu, wie Paul die Fenster überprüfte. Nachdem der Junge die Vorhänge zugezogen hatte, vergewisserte er sich, dass die Tür auch wirklich abgeschlossen war, und ging dann ins Bad, um sicherzugehen, dass es auch von dort eine Fluchtmöglichkeit gab.
»Ich bin müde«, sagte Chickadee. Sie gähnte dreimal kurz nacheinander. »Es ist schon Ewigkeiten her, seit ich in einem Bett geschlafen habe. Wann sind wir aus Calgary aufgebrochen?«
»Vor vier Tagen«, antwortete Mason.
»Das ist schon verrückt. Früher bin ich öfter hergefahren und habe immer nur etwa eineinhalb Stunden gebraucht. Nach Vancouver könnten wir es mit dem Auto in zwei Tagen schaffen, wenn wir schnell fahren würden. Ich hätte nie gedacht, dass es so lange dauert, wenn man die Strecke läuft. Kein Wunder,
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