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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Habel
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Angelegenheit selbst zu lösen.
    Ich wollte nicht mehr daran denken. Ich wollte an überhaupt nichts mehr denken. Um mich abzulenken, grub ich alle Schuldbriefe aus dem Rollpult, trug sie in mein Zimmer und versteckte sie in dem Miniaturschreibtisch meines Puppenhauses. Ich schrieb Pam eine kurze Nachricht, in der ich ihr mitteilte, dass ich gut angekommen war, und schickte sie auf ihr Telefon. Dann badete ich und schlüpfte in ein weißes Spitzennachthemd.
    Aber ich war noch nicht müde.
    Langsam strich ich durch das stille Haus und spielte mit dem Gedanken, mir etwas zu essen aus der Küche zu holen. Die Köchin ging meist schon gegen sieben Uhr und auch Matilda war nicht mehr hier. Ich war also wirklich allein. Nur ein paar Gaslampen brannten noch, hauchten dem Haus Leben ein und bewahrten es vor völliger Dunkelheit.
    Ich liebte dieses Haus. Ich liebte die goldverzierten, mit kunstvoll gearbeitetem Leder beschlagenen schwarzen Wandtäfelungen in den Korridoren. Ich liebte die ätherischen Pastelltöne, die in den Zimmern meiner Mutter vorherrschten, und die sonnenförmigen Flachbildschirme, die entlang der Wände, dicht unter den bemalten Decken, Sterne funkeln ließen. Ich liebte die Wandgemälde, die mit mythologischen Figuren bevölkert waren. Unter diesem Kuppeldach hatte meine Mutter mir vorgelesen, mich getadelt und geliebt, hier hatte mein Vater mich verwöhnt und inspiriert.
    Ich würde nicht zulassen, dass ich das alles durch die Dummheit und Selbstsüchtigkeit meiner Tante verlor.
    Bevor ich mir das Haus wegnehmen ließ, würde ich es niederbrennen.
    Von der Küche aus konnte man durch mehrere Fenster auf die Straße sehen. Ich öffnete eines davon und zog mir einen Stuhl heran. Ich fand einen Laib Brot und ein Stück Wurst und bereitete mir ein paar Sandwichs zu. Damit und mit einer dampfenden Tasse Tee setzte ich mich und blickte auf die Straße hinaus.
    Dort gab es allerdings nicht viel zu sehen. Gelegentlich schnurrte eine Elektrokutsche vorbei und einmal sah ich zwei Gestalten, die Arm in Arm am Haus vorüberliefen. Es waren ein Mann und eine Frau. Ihre Silhouetten wurden von dem Sonnenschirm abgeschnitten, den die Frau über ihren Kopf hielt. Sonnenschirme, die auf der Spitze ein kleines elektrisches Licht trugen, waren schwer in Mode. Ihr Lämpchen leuchtete rosa, was bedeutete, dass ihre Familie ihr erlaubte, sich ganz nach idyllisch-nostalgischer Tradition selbst zu verabreden, wohingegen weiß aussagte, dass die Familie eine Ehe arrangieren würde. Blau zeigte, dass die Trägerin bereits verheiratet war, und grün stand für eine Frau, die sich überhaupt nicht für Männer interessierte, sich aber gerne nach einem hübschen Rock umdrehte.
    Ich versuchte mir vorzustellen, ich würde dort draußen an der Seite eines Mannes entlangschlendern, und biss nachdrücklich in mein Sandwich. Alle Jungs, die ich kannte, entwickelten sich gerade zu vollkommen uninteressanten Erwachsenen. Als ich noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatten sie mich zwar Soldat mitspielen lassen, doch jetzt erwarteten sie, dass ich lächelte und hirnlos zu allem nickte, was sie von sich gaben. Erstaunlich, wie schnell sie sich angepasst hatten.
    Ich räumte die Küche auf und schlenderte weiter durch den ersten Stock. Hinter dem weitläufigen vorderen Salon lag das Zimmer, in dem mein Vater gestorben war. Seit seinem Tod hatte ich es nicht mehr betreten. Die Tür war unverschlossen. Ich ging hinein.
    Geister schienen sich hier eingerichtet zu haben, denn alle Möbel und Kunstgegenstände waren mit weißen Laken verhüllt. Ich hielt inne und nahm das Bild des Raumes in mich auf, dann ging ich zum Bett hinüber und zog die Laken herunter. Die samtenen Vorhänge waren entfernt worden. Auf diesem Bett mit den geschnitzten Holzpfosten hatte mein Vater mich ein letztes Mal in die Arme genommen. Ich legte mich darauf und wünschte mir verzweifelt, ich könnte wieder Knöpfe an meiner Wange fühlen statt der glatten Oberfläche der nackten Matratze.
    Die Gedanken, die ich zu ignorieren versucht hatte, trieben wieder an die Oberfläche. Ich wollte mir Tante Gene nicht auf dem Ball vorstellen, flirtend und strahlend. Das konnte sie gut. Es war ihr nicht schwergefallen, den Anlagebankier Mr.   Ortega zu bezirzen, als sie noch ein junges Mädchen gewesen war. Sie hatte die Regeln früh verstanden und war zu einer stets lächelnden, elitären Harpyie geworden, über die meine Mutter schimpfte, wann immer sie selbst mit ihrer sozialen

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