DARK MISSION - Fegefeuer
nennst, wirst du einen schnellen Tod sterben.«
Aber nie und nimmer einen schmerzlosen.
Die ersten Tränen rannen als silbernes Rinnsal Jessies Wangen hinunter. Sie schüttelte den Kopf.
Silas’ Finger schlossen sich fester um ihre Arme. »Jessie, weißt du, was mit Hexen passiert?« Das Whup, whup, whup! der Rotoren zerhackte den Klang seiner Stimme, die Worte. »Hast du gehört, was ich gefragt habe?«
Jessie biss sich auf die Lippe, schüttelte den Kopf heftiger. Ihr Haar war eine sanfte See aus Gold. In Wellen strich es über Silas’ Handrücken. Heftig sog er den nächsten Atemzug in seine Lungen und bemerkte, dass er kurz davorstand, sie anzuflehen. Sie anzubetteln, es sich doch anders zu überlegen.
Sie anzuflehen, nicht die schreckliche Folter und den qualvollen Tod zu sterben, der Hexen durch die Einzige Heilige Kirche erwartete.
Sein Verstand formte die Worte, die ihm aber nicht über die Lippen kommen wollten.
Als Jessies Blick über seine Schulter schoss, wusste er, dass Naomi hinter ihm stand. Mit einem Ruck zog er Jessie an sich, drehte sie um und begann ihr Geschirr in seines einzuhaken. »Ich bringe sie runter«, erklärte er kurz angebunden.
»Silas …«
»Ich habe gesagt, ich mach’s, verflucht noch mal!«
Naomi runzelte die Stirn, ließ die Unterlippe herunterhängen. AlsSilas keine Anstalten machte, nicht einmal den Hauch eines Interesses dafür zeigte, was sie über das Ganze dachte, zuckte sie mit den Schultern und gab den anderen Missionaren ein Zeichen, sich ebenfalls einzuklinken. »In Ordnung, wir gehen jetzt tiefer. Alle überprüfen ihre Ausrüstung und machen sich zum Abseilen bereit. Unmittelbar nach Bodenkontakt fliegt der Vogel in die Oberstadt weiter. Also verabschiedet euch brav von unserem Piloten, und dankt ihm dafür, dass ihr mit Mission Air habt fliegen dürfen!«
Wie aufs Stichwort hob der Pilot eine Hand, den Zeigefinger in die Höhe gestreckt. Eine Minute noch.
Jessie zitterte in Silas’ Armen, während er sie zur Seitentür führte. »Nur um das klarzustellen«, sagte sie fest, während er nach der Stange über ihrer beider Köpfe griff. »Ich weiß sehr genau, was ihr mit Hexen macht.« Sie wandte ihm das Gesicht zu und bedachte ihn mit einem Blick, der ihn wünschen ließ, sie durchzuschütteln dafür, dass sie so eigensinnig war, und sie zu küssen dafür, dass sie so verflucht mutig war.
Alles gleichzeitig.
Jessies Mund zuckte. Silas sah, wie eine Träne über ihre Wange bis in einen Mundwinkel rann. Daraufhin biss er die Zähne so fest zusammen, dass seine Schläfen pochten. »Wenn ich dann endlich tot bin«, fuhr Jessie fort, als der Helikopter mit der Nase voran runterging, »und du kannst deinen Hintern darauf verwetten, dass ich schnell verrecke, nur um dich zu ärgern, Agent Smith, kannst du dich immer noch amüsieren über die dumme kleine Hexe, die dich geliebt hat.«
»Los! Raus jetzt!«
Naomis Stimme durchschnitt alle anderen Geräusche und trug den Befehl einmal quer durch die ganze Kabine. Augenblicklich schwenkten Naomi und die anderen Missionare an ihren Führungsseilen aus der Kabine und seilten sich ab. Der Hubschrauber stand in der Luft, schwebte über den angeflogenen Koordinaten. Der Pilot hielt ihn dort und wartete darauf, dass seine Passagiere ausstiegen.
Silas schloss die Augen. »Kein Wort mehr!«, knurrte er. Falls sie noch mehr sagen wollte, rissen ihr Fahrtwind und die dünne Luft dieWorte von den Lippen, als Silas sie im Tandemgurt nach draußen schwenkte.
Der Gurt zog an. Jessies und Silas’ Körper wurden aneinandergepresst. Rasch ließ Silas das Seil durch die Auffangöse ablaufen. Es kostete Kraft, und Silas Muskeln spannten sich an.
Jessies Körper hingegen war steif vor Angst. Silas seilte sie auf den ungepflegten Parkplatz eines halb verfallenen Wohnblocks ab. Jessie drückte sich an ihn.
Aber dieses Mal würde er sie nicht in Sicherheit bringen.
Hart kamen sie auf dem Boden auf, in einem sehr ungünstigen Winkel. Silas knickte seitlich weg und landete hart mit dem Rücken zuerst auf scharfkantigem Kies. Er fluchte. Jessies ganzes Gewicht knallte ihm auf die Brust.
Es presste Silas die gesamte Atemluft aus den Lungenflügeln, und er sah Sterne vor Schmerz. Reglos blieb er liegen, während Jessie versuchte, sich von ihm zu befreien. Ihr Haar fiel über sein Gesicht, verworrene Seidenfäden, die überall waren, an seiner Nase, in seinem Mund. Alles, was er roch, war Jessie.
Ein Hauch Schwefel, eine Spur
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