DARK MISSION - Fegefeuer
tragen, ihr Blick war fest und unerschrocken, und ihre Augen glänzten im trüben Licht der Badezimmerbeleuchtung. Jessie lächelte ein schmallippiges Lächeln.
Wenn die Missionare glaubten, sie würde ihnen ihren kleinen Bruder auf einem Silbertablett zum Frühstück servieren, dann würden sie ihr blaues Wunder erleben.
KAPITEL 5
Drei Stunden und sechsunddreißig Minuten.
Das war eine kleine Ewigkeit, wenn man in einem winzigen heruntergekommenen Appartment festsaß. Der aufdringliche Geruch nach Weihrauch, der in der Luft hing, und nach schimmelndem Teppich machte das Atmen schwer.
Sie tat es trotzdem, mühsam. Ein, aus.
Jeder rasselnde Atemzug kämpfte gegen die Zeit, versuchte Sauerstoff in ihre Lungen zu pumpen und die Flüssigkeit loszuwerden, die sich dort sammelte. Minute um Minute, Tröpfchen um Tröpfchen, und jedes Tröpfchen bedeutete qualvollen Schmerz.
Unten, in den Ruinen der alten Stadt, wo kein Sonnenstrahl mehr durch Risse in Beton und Zement drang, würde sie niemand vermissen. Hier war jeder Tag ein gnadenloser Kampf ums Überleben. Wahrscheinlich würde sie hier verrotten, allein und vergessen. Ihre Leiche würde verwesen, das Fleisch von ihren zarten, zerbrechlichen Knochen faulen. Es würde sich zu einer Pfütze verflüssigen, die für niemanden mehr einen Wert besaß in dieser hungrigen, rachsüchtigen Stadt, in der sie langsam verreckte.
Die Gläserne Stadt.
Die Stadt der Magiebegabten und der Narren.
Die Frau rührte sich. Ein Schaudern. Es lief ihr über die nackte Haut, und der Atem gurgelte in ihrer Brust. Es hatte eine Zeit gegeben, da war sie schön gewesen. Sie war sogar noch schön gewesen, kurz bevor ihr die rituellen Symbole in die bleiche Haut geschnitten worden waren. Bevor die Schnitte in jedes Gelenk sich schwarz vor Blut in jeden ihrer Knochen gefressen hatten.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie gelächelt.
Jetzt lag sie ausgestreckt auf dem Boden, gefesselt mit Seide und Stahl. Eines ihrer herrlich langen Beine zeigte genau nach Süden, das andere nach Osten. Ein langer Holzpflock mit Schnitzwerk, bis zum Knochen in jeden Oberschenkel getrieben, sorgte dafür, dass die Beine gespreizt blieben. Die Muskeln der Bauchdecke, die vor Anspannung eine tiefe Senke über ihren schmalen Hüften bildete, zuckten, verkrampften in dem mühsamen Unterfangen, Luft zu holen. Frischer Schorf auf frischen Wunden riss. Bluttränen quollen heraus und rannen über die Hüften der einst so schönen Frau.
Sie war nackt. Natürlich war sie nackt. Aber es ging nicht um die Befriedigung sexueller Triebe. Mit Sexualität hatte das Ritual nichts zu tun, nie etwas zu tun gehabt. Ganz im Gegenteil. Es war das schrecklichste Ritual, das er je hatte mitansehen müssen.
Und doch war es notwendig.
Bei jedem flachen, gequälten Ausatmen sprudelte der Frau Blut aus dem Mundwinkel, benetzte das Kinn und sickerte hinunter auf ihre Brust. Die wenigen Besitztümer, die man der Frau gelassen hatte, schimmerten in dem kränklich grünen Licht, das der Leuchtstab neben ihm abgab. Sie allerdings konnte das nicht sehen. Ihre Augen hatten als Erstes dran glauben müssen.
Aber sie war einst wirklich schön gewesen. Der bezaubernde Verlobungsring aus Silber, den sie an der rechten Hand trug, gab beredt Zeugnis davon, dass auch jemand anders einst dieser Meinung gewesen war.
Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es fast Mittag war. Am Lichteinfall hier unten, oder besser: an dessen Fehlen, hätte man das nie feststellen können.
»Ich …« Das Wort war ein Gurgeln tief in der Brust der einst so schönen Frau.
Er kniete sich in den kleinen Kreis aus Licht. Das bisschen an Teppich, das nach all der Zeit noch übrig war, gab ein schmatzendes Geräusch von sich. Augenblicklich sog sich der Hosenstoff am Knie mit Blut voll. Das Blut war klebrig, kalt.
Seide raschelte, sanft wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Selbst das verschwindend geringe Gewicht des Stoffes war zu schwer. Die zerschmetterten Arme der Frau konnten die Seide nicht bewegen. »Ich wünschte …« Sie würgte, hustete. Blutströpfchen sprühten von ihren aufgesprungenen Lippen. Er drehte das Gesicht weg, als das Blut in einem sanften, warmen Sprühregen seine Wange traf.
»Schschsch!«, flüsterte er leise. Sanft berührte er ihre Wange mit der bloßen Hand. Danach waren seine Finger feucht von ihrem Blut und kribbelten. »Ruhig, Delia! Es ist fast vorbei.«
Sie verzog ihr zerschundenes Gesicht, doch erst als sie seltsam
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