DARK MISSION - Fegefeuer
Silas?
Woher hatte sie gewusst, wie und wo sie hinschauen musste?
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie bemerkte, dass sie zitterte.
»Was zum Teufel war das?«
Jessie starrte aus dem Fenster auf den Brandherd. Die Flammen schlugen jetzt noch höher aus dem Haus heraus. Heißer. Hungriger. Nur Flammen und Hitze. Magie war nirgends mehr zu spüren. »Ich habe …« Tja, was denn? Es gesehen?
»Jessie.«
Sie leckte sich über die Lippen und warf Silas ein schiefes Lächeln zu. »Du würdest mir sowieso nicht glauben.« Das war die Wahrheit.
»Probier’s aus!«
Und jetzt kam die Lüge. »Ich habe schon eine verdammt lange Zeitfür mich selbst sorgen müssen. Da lernt man, auf alles zu achten, wenn man nicht draufgehen will.«
Konzentriert warf Silas einen Blick in den Rückspiegel und lenkte den Pick-up durch den Verkehr über Fahrbahnen, die jetzt in leuchtendes Orangerot getaucht waren. Autos bremsten ab, fuhren langsamer, blieben stehen, Motoren wurden gar abgewürgt, nur um etwas von dem Spektakel mitzubekommen. Aber Silas hupte nicht ein einziges Mal. »Was ist dir aufgefallen?«
Jessie drehte sich im Sitz herum, als sie in der Ferne weit hinter dem Pick-up Sirenen heulen hörte. In New Seattle nahm man Brände sehr ernst.
Es durfte schließlich auf keinen Fall dem Fundament etwas passieren, auf dem die glitzernde, funkelnde Stadt aus Glas ruhte und in schwindelnde Höhen wuchs!
Jessie seufzte. »Das weiß ich selbst nicht so recht. Ich habe das Haus gesehen, und irgendetwas kam mir seltsam vor. Etwas stimmte nicht.«
Silas grunzte.
Reichte ihm die Erklärung? Jessie legte die verletzte Hand in den Schoß. »Ich dachte mir, eure Sicherheitsvorkehrungen sind eigentlich ziemlich streng. Wenn trotzdem was nicht stimmt, muss es was richtig Schlimmes sein.«
Dass Silas nur finster durch die Windschutzscheibe blickte, war Jessie ein Fest. Zumindest ein kleines. »Das lässt wohl Ihren netten runden Plan ganz schön alt aussehen, was, Agent Smith?«
Der verräterische Muskel zuckte in seinem Gesicht.
Hab dich!, dachte sie. Sie zog sich den antiquierten Sicherheitsgurt über die Brust. »Und wohin geht’s jetzt?« Und einen Lidschlag später: »Partner.«
»Ach Scheiße!« Silas’ Blick huschte zu dem GPS auf dem Armaturenbrett. »Die Oberstadt ist jetzt der einzige Ort, an dem du noch sicher bist.«
Jessie verspannte sich. »Ich in der Oberstadt? Bei deinen Kollegen, oder was?«
Jetzt blickte er zu ihr herüber. »Wir haben jede Menge Büros auf den Exekutivebenen. Okay, ja, genau daraus besteht ein Gutteil der Oberstadt. Aber ich kann uns durch die Sicherheitskontrollen schleusen. Kein Problem.«
Zum Henker, bloß nicht! »Woher willst du denn wissen, dass es da oben sicherer für mich ist?«
Silas öffnete schon den Mund, um etwas Bissiges zu erwidern, was Jessie ordentlich geärgert hätte. Aber ihr Leben war sowieso schon kompliziert genug. Zu ihrer Überraschung machte Silas den Mund zu und verkniff sich jedwede schlaue Bemerkung.
Jessie ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. »Du bist auf denselben Gedanken gekommen wie ich«, behauptete sie. »Woher wussten sie, wo sich das sichere Versteck befindet? Wird das ganze Sicherheitsgedöns in der Oberstadt mich tatsächlich besser schützen?« In der Oberstadt, wo sie auffiele wie ein bunter Hund und ständig von Kameras, Hexenjägern und sämtlichen Reichen und Schönen misstrauisch beäugt würde.
Keine Chance!
»Hast du einen besseren Vorschlag?«, fragte er, sichtlich angepisst, und ließ die Schultern kreisen. »Wir können ja schließlich nicht für immer und ewig durch die Gegend fahren, Scheiße noch mal!«
»Nein, können wir nicht. Müssen wir aber auch gar nicht.« Jessie schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass ihre Erinnerung sie nicht trog und sich dort nichts verändert hatte. »Fahr vom Karussell ab und dann nach Osten!«
Skeptisch legte Silas die Stirn in Falten. Offenkundig passten ihm ihre Anweisungen nicht. »Und was ist dann da im Osten?«
Hexenjäger hatten ihre Verstecke. Hexen ebenso.
Zumindest hoffte Jessie, dass dem noch so war. »Vor ein paar Jahren habe ich im Pink Beaver gearbeitet.« Mit einem raschen Seitenblick kontrollierte sie Silas’ Mienenspiel. Er blickte stur geradeaus auf die Straße.
Kluger Hexenjäger.
»Der Laden befindet sich eine Ebene tiefer als das Perch und viel weiter ebeneneinwärts. Eine echte Spelunke. Da habe ich ein Mädchen kennengelernt, das hat sich, obwohl es das nicht nötig
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