DARK MISSION - Fegefeuer
bringen.
Also grunzte er nur, statt etwas zu sagen, und schüttelte Naomis Hand ab.
Naomi war noch nie gut darin gewesen, einen Wink zu verstehen, einen mit dem Zaunpfahl schon gar nicht. »Also?« Sie folgte Silas in das Schlachthaus, das einmal das Wohnzimmer gewesen war. Ohne dass er ihr eine entsprechende Anweisung geben musste, beugte sie sich hinunter zur Leiche der Hexe und lud sie sich auf die Schulter.Blut besudelte Naomis figurbetonte Jacke, aber die Jägerin verzog keine Miene.
Sie war eine verteufelt gute Missionarin. Allerdings beschissen in praktisch allem anderen.
Was Silas an sich selbst erinnerte. »Worum geht’s dir eigentlich, Naomi?«
»Die Kleine hat was.« Mit dem Daumen zeigte Naomi über die Schulter hinweg zur Badezimmertür. »Irgendwie hat sie dich im Griff.« Naomi ging unter der geschulterten Leiche kaum in die Knie. »Mir scheint …« Naomi unterbrach sich und warf Silas einen schneidend scharfen Blick zu. »Scheiße, Silas! Du hast doch nicht völlig den Verstand verloren und bumst die Kleine?«
Ein Muskel in seiner Wange zuckte. Er fasste die zweite Leiche unter, zog sie hoch und tauchte unter der Achsel des Toten durch. Dann warf er sich den Mann über die Schulter. »Ich bin hier, um einen Hexer zu erledigen und dafür zu sorgen, dass Jessica Leigh am Leben bleibt«, sagte er, als er sich sicher war, alles unter Kontrolle zu haben. Seine Stimme wie das tote Gewicht auf seinen Schultern.
Und auch den wütenden Stich von Schuld, den er in seiner Brust spürte.
Naomi schnaubte und ging zur Tür voraus. »Du bist immer noch ein beschissener Lügner.«
Silas blickte finster drein. Statt Naomi zu antworten, ließ er den Blick über den regennassen Hof wandern. Niemand hatte sich herausgewagt, um nachzuschauen, was die Schüsse zu bedeuten hätten.
Silas hatte auch nicht erwartet, dass die Nachbarn hier Derartiges riskierten. Gut für ihn.
Und niemand war im Kreuzfeuer zu Schaden gekommen. Gut für sie.
»Ich habe es nicht nötig zu lügen«, sagte Silas schließlich und watete durch das knöcheltiefe Wasser, in das Regentropfen kreisrunde Muster malten. »Man nennt es Ehrlichkeit, Naomi. Du solltest es auch mal damit probieren.«
»He, ich bin ein Riesenfan von Ehrlichkeit, verflucht noch eins!« Ungeduldig wischte sich Naomi mit dem Unterarm den Regen aus den Augen. »Du bist schließlich der, dem der Geifer aus dem Maul tropft, sobald die Kleine in Sichtweite kommt.«
»Lass es gut sein!«
»Nein.« Umstandslos entledigte sich Naomi der Leiche, ließ sie auf den Boden krachen. Dann schloss die Missionarin die Rücksitztür des Missionsjeeps auf. Mit derselben Grobheit packte Naomi die tote Bethany am Kragen und beförderte sie auf den Sitz. Mit einem unschönen dumpfen Geräusch schlug das tote Gewicht von Armen und Beinen gegen straffe Polster.
Silas legte die deutlich schwerere Leiche von Bethanys Partner neben Naomi auf dem Boden ab, lehnte sie gegen den Jeep. Während die Jägerin mit dem Gewicht des Toten kämpfte, ging Silas um den Wagen herum zu seinem eigenen Pick-up. Die Fahrertür knarrte in den Angeln, als er sie öffnete.
»Silas?«
»Was denn noch, Naomi? Spuck’s endlich aus!«
Naomi wischte sich über die Stirn und warf Silas aus Mandelaugen über die Motorhaube des Jeeps hinweg einen forschenden Blick zu. »Echt jetzt? Okay: Finde heraus, warum der Zirkel die Kleine unbedingt haben will!«
Silas zog die schwere alte Segeltuchtasche unter dem Sitz hervor und öffnete den Reißverschluss einer Seitentasche. Er ließ sich Zeit, auf Naomis Vorschlag zu reagieren. »Du meinst: Benutze sie als Köder.«
»Gebt dem Kerl einen Orden!«
Er schüttelte den Kopf. »Das läuft nicht, nicht mit mir.«
Schweigen. Die Stille füllten nur das Prasseln des Regens auf Stein und Autoblech und die betriebsame Lärmkulisse einer lebendigen Stadt. Nachdem Naomi die zweite Leiche ebenfalls in den Jeep gewuchtet hatte, kam sie um den Wagen herum und lehnte sich gegen Silas’ Pick-up. Dessen altersschwache Stoßstange ächzte protestierend.»Schau mal: Sie wollen die Kleine, und deshalb wär’s gut, du wüsstest, warum. Welche Bedeutung hat sie denn für den Zirkel?«
»Ihr Bruder …«
»Dünn, ganz beschissen dünn, deine Theorie! Und das weißt du!«, schnitt Naomi ihm das Wort ab. »Benutz deinen Verstand, den ihr Männer angeblich in so rauen Mengen habt, und grab ein bisschen tiefer!«
»Himmel, Naomi!« Silas fischte die versiegelte Plastiktasche mit den
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