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Dark Moon

Dark Moon

Titel: Dark Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Knightley
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behalten.
    Vor der Haustür holte ich einmal tief Luft. Einen Augenblick lang war ich versucht, den Schlüssel zu benutzen, doch dann klingelte ich.
    Jack öffnete. »Hallo, Lydia«, sagte er sanft. »Bitte komm rein.« Er trat zur Seite.
    Ich nickte schüchtern und versuchte seinem Blick auszuweichen, denn seine golden schimmernden Augen brachten mich durcheinander. Beklommen stellte ich fest, dass aus dem Wohnzimmer die Klänge eben jenes Violinkonzertes drangen, das Emilia am Tag ihres Todes gehört hatte.
    Seitdem hatte sich im Haus nichts verändert. Meine Mutter hatte nach ihren Suchaktionen offenbar alles wieder ordentlich an seinen Platz gestellt. Die Gemälde hingen noch, kein Möbelstück war verrückt worden. Und trotzdem wirkten die Räume fremd. Vielleicht lag es daran, dass ich noch nie in der Nacht hier gewesen war. Überall brannten Kerzen, die ein warmes Licht verströmten.
    »Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?«, fragte Jack. »Ich habe noch einen guten Rotwein.«
    »Vielen Dank, aber ich muss doch noch fahren.« Oh Mann, was war das denn für eine Antwort? Genauso gut hätte ich Jack erzählen können, dass ich im Winter Wollunterwäsche trug. Peinlich.
    »Vielleicht etwas anderes? Einen Saft? Wasser?«
    »Danke, ich bin wunschlos glücklich.« Verkrampft blickte ich zur Seite.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.
    »Mir geht es gut«, sagte ich, obwohl das eine glatte Lüge war.
    »Glaube ich dir nicht. Ich kann dein Herz bis hierher schlagen hören. Du hast keinen Grund, Angst vor mir zu haben. Ich habe bereits gegessen.«
    »Wie beruhigend.« Ich fühlte mich wie bei meinem ersten Date. Bei meinem ersten Date? Was hatte ich eigentlich hier zu suchen? Ich war doch mit Mark zusammen! Jack war ein Vampir, der gerade erst seine Gefährtin verloren hatte. Er war unberechenbar. Und dennoch fühlte ich mich zu ihm hingezogen.
    »Darf ich dir etwas zeigen?«, fragte er, wohl um die Situation zu entspannen.
    Ich folgte ihm hinunter in den Keller. In der Ecke eines Raumes, den Emilia als Lager genutzt hatte, stand eine Staffelei. Wie alle anderen Gemälde war auch dieses hier abstrakt, Jack hatte die Farben geradezu explodieren lassen: Gelb, Gold und Ocker wirbelten ineinander, hellblaue Flecken zerflossen in einem grünen Strom. Und über allem thronte warm und schwer eine rote Kugel. Ich konnte mich nicht sattsehen an diesem Glühen.
    »Es ist wunderschön«, flüsterte ich.
    »Ich habe das Bild heute beendet«, sagte Jack. »Es gehört dir.«
    »Aber… das kann ich nicht annehmen!«, stotterte ich. »Das ist viel zu wertvoll!«
    »Du bekommst es auch nicht umsonst. Ich muss dich nämlich um einen Gefallen bitten. Genau genommen sind es zwei.«
    Ich nickte. In diesem Moment hätte ich vermutlich alles für ihn getan.
    »Ich brauche Farben, Pinsel und bespannte Keilrahmen. Leider haben die Geschäfte immer dann geöffnet, wenn ich ruhe.«
    »Malsachen kann ich dir besorgen«, sagte ich.
    »Der zweite Gefallen wird dich etwas mehr Mühe kosten«, begann er.
    »Kein Problem.«
    »Würdest du Modell für mich sitzen?«
    Wir hatten einmal im Kunstunterricht Aktzeichnen gehabt. Eine Frau war gekommen, hatte sich ausgezogen und auf einen Tisch gestellt, wo sie unglaubliche vier Stunden reglos verharrt hatte. Die Jungs in meiner Klasse hatten blöde Witzchen gerissen, während einige der Mädchen gekichert hatten, denn unser Model war nicht gerade eine Schönheit gewesen.
    »Muss ich dafür nackt sein?«, fragte ich mit hochrotem Kopf.
    »Ob du was?« Jack lachte laut. »Natürlich nicht! Ich will nur ein Porträt von dir machen.«
    In diesem Moment wäre ich am liebsten vor Scham im Erdboden versunken. Die Situation war so peinlich, so demütigend, dass ich mich umdrehte und gehen wollte.
    »Nein, bitte! Bleib! Es tut mir leid.« Jack stellte sich mir in den Weg und berührte sachte meine Schulter. »Ich wollte mich nicht über dich lustig machen.«
    »Stimmt. Ich hab mich schon selbst genug lächerlich gemacht«, sagte ich wütend.
    »Ich habe dich aus einem ganz egoistischen Grund gefragt.«
    »Und der wäre?«
    »Ich bin gern mit dir zusammen.« Nun war er derjenige, der nervös klang. »Wir könnten uns einfach nur unterhalten. Genau das vermisse ich seit Emilias Tod am allermeisten: die Gesellschaft eines Menschen.«
    Er lächelte traurig, und plötzlich erkannte ich, wie einsam Jack sein musste. Dieses Haus war nicht nur seine Zuflucht, sondern zugleich auch sein Gefängnis.
    Plötzlich

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