Dark Moon
ganzes Leben habe ich damit verbracht, dich von der dunklen Seite fernzuhalten! Ich wollte nicht, dass du etwas mit Roseanns Mission zu tun hast. Und dann das!«
»Es ist keine Mission«, erwiderte ich lahm.
»Ist es woh l – eine fanatische Mission! Du hast ja keine Ahnung. Du bist nicht bei ihr groß geworden«, ereiferte sich Mom. »Von mir verlangte sie, dass ich mich ihrer Aufgabe voll und ganz verschreiben sollte. So etwas wollte ich dir nie zumuten. Ich habe mir so gewünscht, dass du ein normales Leben führst, normale Menschen kennenlernst und normale Probleme hast. Hast du dich nie gefragt, warum Grandma und ich kaum miteinander reden? Nur wegen ihrer Arbeit für die Wächter! Ich habe ihr gesagt, wenn sie dich jemals in diese Sache hineinzieht, werde ich jeden Kontakt zu ihr abbrechen und dafür sorgen, dass sie dich nie wiedersieht.«
»Tu das nicht!«, rief ich entsetzt. »Grandma hat nichts mit Jack Valentine zu tun!«
»Ich weiß. Sonst hätte ich schon längst Maßnahmen ergriffen.« Mom ließ sich auf einen Stuhl fallen, als hätte sie auf einmal alle Kraft verlassen. »Was wirst du jetzt tun?«, fragte sie mich schließlich.
»Nun, die Frage ist, was du tun wirst«, erwiderte ich. »Du kannst dieses Testament zerreißen und damit deine Frage selbst beantworten. Oder du unterstützt uns.«
»Nun, egal wie ich mich entscheide: Alles wird sich für dich ändern.« Mom blickte zu mir auf. Sie hatte Tränen in den Augen. »Ich habe Angst um dich. Diese Sorge kam, als du geboren wurdest, und sie hat mich seitdem all die Jahre begleitet.«
Ich nahm sie in die Arme. Auch ich hatte auf einmal einen Kloß im Hals.
»Ich liebe dich so sehr! Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas passieren würde«, schluchzte sie.
»Was ist denn mit euch beiden los?«, sagte eine Stimme hinter uns. »Ist jemand gestorben?«
Dad kam steif die Treppe heruntergetappt und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Sein zerknittertes Hemd hing ihm halb aus der Hose.
Mom lächelte schief und reichte ihm Emilias Testament.
»Was ist das?«, fragte er stirnrunzelnd.
»Der Grund, warum wir so aufgelöst sind«, sagte Mom.
Dad las das Papier. Er wollte etwas sagen, warf aber erst noch mal einen Blick auf das Schriftstück. »Und das ist echt?«, fragte er etwas verstört.
»Wir gehen davon aus«, sagte Mom. »Ich habe es heute gefunden, als ich in Emilias Haus war und die Blumen gießen wollte.«
Dad blies die Wangen auf und strich sich das Haar aus der Stirn. »Ich weiß nicht, ob man zu so einem Anlass überhaupt gratulieren darf. Was erbst du eigentlich, wenn ich mal fragen darf?«
»Das Haus, die Bilder und das ganze Vermögen«, sagte ich.
Jetzt musste sich mein Vater setzen. »Wow.« Mehr brachte er nicht heraus. »Das Haus alleine ist schon über zwei Millionen wert. Habt ihr es Mark schon gesagt?«
»Erst muss die Polizei abklären, ob Emilia Frazetta ihr Vermögen auch legal erworben hat«, sagte Mom. »Aber das meiste Geld hat sie tatsächlich im Kunsthandel verdient. Ich habe in ihre Akten geschaut. Wenn ihre alten Steuererklärungen korrekt sind, ist ihr nichts vorzuwerfen.«
»Außerdem weiß ich nicht, wie Mark darauf reagiert, wenn er erfährt, dass das Haus seiner Eltern jetzt in meinem Besitz ist«, fügte ich hinzu.
»Wow!«, sagte Dad erneut. »Willst du ihn und seine Mutter wieder einziehen lassen? Zur Miete?«
Mit dieser Frage hatte ich überhaupt nicht gerechnet, obwohl sie eigentlich naheliegend war. »Ich weiß nicht…«, stotterte ich.
»Wie gesagt, wir müssen erst die Vermögensfrage klären«, mahnte Mom und nahm das Testament. »Ich werde eine beglaubigte Abschrift für unseren Anwalt anfertigen lassen. Dann geht das Original zur Polizei. Soll die sich darum kümmern.«
Kapitel
A ls ich am Abend zur Water Lane fuh r – Hank folgte mir in sicherem Abstan d –, stand ich noch immer unter dem Eindruck von Moms Auftritt. Zum ersten Mal hatte sie mir die ganze Wahrheit über sich und Grandma anvertraut. Endlich verstand ich, weshalb zwischen den beiden jahrelang Funkstille geherrscht hatte.
Aufgewühlt parkte ich meinen Käfer in der Einfahrt des Hauses. Der Nissan war weg, aber das musste nichts bedeuten. Jack hatte ihn bestimmt irgendwo versteckt. Ich gab Hank, der vor dem Tor gehalten hatte, ein Zeichen, damit er ein Stück weiterfuhr. Wir hatten verabredet, dass er den Lieferwagen auf dem Parkplatz am Waldrand abstellen sollte. Von dort aus konnte er das Haus gut im Blick
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