Dark Moon
heran. Ich kann ihr das noch nicht mal verübeln.«
»Aber wenn du nicht mit ihr darüber reden kannst, warum kommst du dann nicht zu mir?«
Zum ersten Mal während unseres Gesprächs sah mir Mark in die Augen. »Du hast Recht. Du bist die Einzige, die mir immer zuhört. Es tut mir leid, dass ich so abweisend war.«
Ich betrachtete lange Marks Gesicht. Er hatte sich verändert. Seine Gelassenheit war verschwunden. Mir war, als umarmte ich jemanden, der mir auf einmal fremd geworden war. Ich mochte Mark und er tat mir unendlich leid. Aber liebte ich ihn noch?
»Was ist dran an dieser Vampirgeschichte?«, fragte er.
»Möchtest du wirklich ausgerechnet jetzt über dieses Thema reden?«, fragte ich ihn. »Als ich zum ersten Mal versucht habe, dir etwas über die Nachtwesen zu erzählen, hast du nicht gerade aufgeschlossen reagiert.«
»Ich habe nachgedacht. Falls es stimmt, was du da gesagt hast, würde das einiges erklären. Und mein Vater wäre tatsächlich kein Mörder.« Ich schaute ihn ungläubig an. Mark war bereit, alles zu glauben, wenn es nur die Unschuld seines Vaters bewies.
»Wenn dein Vater der Gefährte eines Vampirs ist, dann ist er genauso am Tod der Mergers schuld, als hätte er die Tat selbst begangen«, widersprach ich.
»Ich muss das für mich klären. Ich muss wissen, ob mein Vater tatsächlich seine Seele verkauft hat.«
»Du willst noch einmal nach Powell River fahren?«
Er nickte. »Würdest du mich begleiten?«
Wenn George Dupont sich tatsächlich mit einem mörderischen Vampir eingelassen hatte, konnte das ein ziemlich gefährlicher Ausflug werden. Doch mein schlechtes Gewissen gegenüber Mark wog stärker als jeder Zweifel. Also sagte ich Ja.
Kapitel
W ir mussten von der Horseshoe Bay aus die Fähre nach Langdale nehmen. Danach wartete eine zweistündige Fahrt auf uns. Die Entzugsklinik lag direkt am Sunshine Coast Highway, umgeben von Campingplätzen und Wochenendhäusern. Ich hatte ein großes Krankenhaus mit Hunderten von Betten erwartet, doch zu meiner Überraschung hatte das Health Centre nur die Ausmaße einer bescheidenen Ferienanlage. Von der Terrasse aus hatte man einen Blick aufs Meer. Die Sonne ging gerade hinter den Bergen von Texada Island unter und tauchte die lang gezogenen Holzhäuser in ein warmes, anheimelndes Licht.
»Die Besuchszeit ist für heute sicher schon vorbei«, sagte ich. Es war kurz vor halb zehn.
»Vermutlich liegen die meisten Patienten schon in ihren Betten oder sitzen im Gemeinschaftsraum vor dem Fernseher«, sagte Mark. »Das da vorne links ist das Therapiegebäude. Geradeaus ist der Südflügel mit dem kleinen Krankenhaus und den Unterkünften.« Die beiden Gebäude, die über Eck miteinander verbunden waren, öffneten sich nach Westen und bildeten so einen geschützten Bereich.
Wir gingen zum Empfang, der nahe der Einfahrt in einem kleinen blauen Haus untergebracht war. Obwohl ich ahnte, dass die Verwaltung um diese Zeit geschlossen war, rüttelte ich am Türknauf. »Niemand mehr da«, sagte ich.
Mark beschattete seine Augen mit der Hand und blickte sich um. Keine Spur von Leben. Nur der Wind rauschte in den Ahornbäumen, die das Gelände säumten.
Die Dielen der Holzveranda knarrten leise, als wir zum Therapiegebäude gingen. Ich spähte durch die Fenster und stieß einen leisen Pfiff aus. Neben den modernen Behandlungsräumen gab es auch ein großes Schwimmbad, auf dessen glatter Wasseroberfläche sich das Sonnenlicht spiegelte. Die Eingangstür war unverschlossen, wir traten ein. Der Gemeinschaftsraum im Südflügel war leer. Ein Flachbildfernseher hing wie ein leerer Bilderrahmen an der Wand. Bequeme, braune Ledersessel standen um niedrige Tische herum; überall lagen Zeitschriften, in den kleinen Tischvasen steckten Waldblumensträuße.
Plötzlich hörten wir Schritte auf dem Korridor. Ein Mann und eine Frau waren ins Gespräch vertieft und hielten überrascht inne, als sie uns entdeckten.
»Darf ich fragen, was Sie hier suchen?«, fragte der Mann. »Die Besuchszeit geht nur bis acht.« Er trug ein kariertes Hemd und eine beigefarbene Cordhose. Seine kleinen Augen blinzelten hinter den dicken Gläsern einer Hornbrille. Er sah aus wie eine Mischung aus Bibelverkäufer und Unidozent.
»Mein Name ist Mark Dupont. Wir wollten zu meinem Vater.«
»Ihr Vater ist zurzeit leider nicht im Haus. Alle Patienten befinden sich heute auf einer Exkursion«, antwortete er.
»Einer Exkursion? Wohin?«
Die Frau flüsterte ihrem Begleiter etwas
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