Dark Moon
Augen geworden.«
Wir schwiegen einen Moment. Dann fragte ich sie: »Was soll ich tun? Ich kann mich nicht zwischen Mark und Jack entscheiden. Ich möchte keinem von beiden wehtun.«
»Was sagt deine innere Stimme?«
»Meine innere Stimme sagt, dass ich verrückt bin und mich endlich zusammenreißen soll.«
»Das war dein Kopf, aber was rät dir dein Herz?«
Ich seufzte. »Mein Herz ist im Moment ein unzuverlässiger Ratgeber. Du müsstest mich doch am besten verstehen. Wenn dieser James Milton dich nicht verlassen hätt e …«
»Wenn dieser James Milton nicht gegangen wäre, hättest du heute einen anderen Vater«, sagte Mom ernst.
»Entschuldige?«, fragte ich verwirrt.
»Ich war schwanger, als er mich verließ. Schwanger mit dir. Und er war der erste und einzige Mann, mit dem ich in dieser Zeit zusammen war«, sagte Mom.
»Moment, Moment! Was willst du damit sagen?«
Mom blickte an mir vorbei. »Dass dein Vater ein Vampir war.«
Das war unmöglich! Das konnte nicht sein! Es war schon schockierend genug zu erfahren, dass meine Mutter, wenn auch nur für kurze Zeit, die Gefährtin eines Nachtwesens gewesen war. Aber dass mein Dad auf einmal nicht mehr mein Dad sein sollte, diese Vorstellung konnte ich einfach nicht ertragen. Es hatte doch immer geheißen, Vampire könnten keine Kinder haben. Vielleicht hatte sich meine Mutter alles nur eingebildet, weil sie von ihrer großen Liebe nicht lassen wollte. Vielleicht hatte sie sich nur gewünscht, dass James und nicht Dad mein Vater war.
Den Rest der Fahrt blieb Mom in Gedanken versunken und wandte den Blick nicht ein einziges Mal vom Verkehr. Wir wechselten kein Wort. Es war bestimmt das erste Mal, dass sie mit jemandem über die Zeit mit James Milton gesprochen hatte, und plötzlich wurde mir klar, dass sie sich mir ausgeliefert hatte. Allein mir war es überlassen, wie ich mit diesem Geheimnis umging. Ich konnte es Dad einfach sagen und so vielleicht unsere Familie zerstöre n – oder ihr Vertrauen wie ein Geschenk behandeln. Natürlich war ich wütend auf sie, besonders was Dad anging. Aber dann musste ich an Jack und Mark denken. Welche Konsequenzen würde ich ziehen? Durfte ich das Handeln meiner Mutter überhaupt verurteilen?
Mein Vater war ein Vampir. Das war wahrscheinlich auch der Grund, weshalb die Nachtwesen mich nicht hypnotisieren konnten. Und mein Erbe war sicher auch dafür verantwortlich, dass mein Blut Mark vor der Verwandlung bewahrt hatte. Ich fragte mich, welche Überraschungen mich noch erwarteten.
Als wir den Woodgreen Drive erreichten, sah ich Dads Wagen schon in der Einfahrt stehen. Mom hatte mir erzählt, dass er sich diesen Tag trotz der vielen Arbeit in der Redaktion freigenommen hatte, um meine wundersame Wiederauferstehung zu feiern. Er hatte wirklich dieses Wort benutzt: Wiederauferstehung.
Mom holte meine Tasche aus dem Kofferraum, während ich die Haustür aufschloss.
»Dad?«, rief ich. »Wo bist du?« In diesem Moment wollte ich nur eines: ihn in die Arme nehmen.
»Ich bin im Wohnzimmer, Liebes.« Seine Stimme klang seltsam abwesend.
Er stand vor dem Fernseher, die Fernbedienung in der Hand. Der A-Channel brachte einen Sonderbericht. Eine Reporterin stand mit ihrem Mikrofon vor dem Präsidium des West Vancouver Police Department, im Hintergrund wurde ein Videoclip gezeigt, in dem Polizisten einen Tatort sicherten.
»Augenzeugen berichten, dass der neunundvierzigjährige George Dupont von drei Kugeln getroffen wurde, eine davon war tödlich.«
Mir wurde flau im Magen. »Oh mein Gott!«
»Laut Aussage der Polizei wurden die Schüsse von einem der Hochhäuser in der Clyde Avenue abgefeuert. Täter und Motiv sind unbekannt, man geht aber davon aus, dass die Tat im Zusammenhang mit einem anderen Tötungsdelikt in Alder Creek steht. Dupont wurde beschuldigt, vor zwei Tagen eine junge Frau erstochen zu haben, deren Identität bis heute nicht geklärt werden konnte.«
Dad stellte den Ton ab und drehte sich zu uns um. Als er mich sah, erhellte sich vor Erleichterung seine Miene. »Hallo, Lazarus«, sagte er und umarmte mich. Ich drückte ihn, so fest ich konnte.
»Ich kann es wirklich kaum glauben. Als ich dich im Krankenhaus besucht habe, sahst du aus, als müsstest du noch mindestens eine Woche dort verbringen.«
»Was ist mit Marks Vater?«, fragte ich.
»Die Polizei sagt, dass es sich um die Tat eines Profikillers handelte. Angeblich hat sich George wegen seiner Schulden mit dem organisierten Verbrechen
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