Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
schüttelte den Kopf. »Sorry, Libby. Kenny sollte mir auf dem Handy Bescheid geben, wenn du eintrudelst, damit ich dich selbst runterbringen kann.« Über meinen Kopf hinweg sah er Kenny an, der einen wegwerfenden Ton von sich gab und verschwand. Nun steuerte Lyle mich ins Gedränge, den Finger energisch in mein Schulterblatt gedrückt. Ein paar der Gäste waren kostümiert. Ein Mann mit einer schwarzen Weste und einem hohen schwarzen Hut drängte sich an mir vorbei, bot mir irgendwelche Süßigkeiten an und lachte. Lyle verdrehte die Augen. »Ein Frederick-Baker-Freak«, erklärte er mir. »In den letzten Jahren haben wir versucht, die Rollenspieler rauszudrängen, aber … es gibt einfach zu viele.«
»Ich weiß nicht, was das heißen soll«, sagte ich, besorgt, ich könnte durchdrehen, weil mich ständig Ellbogen und Schultern anrempelten, und ich sofort wieder zurückgedrängt wurde, wenn ich mal ein paar Schritte vorwärtskam. »Ich verstehe ehrlich nicht, was verdammt nochmal hier abgeht.«
Lyle stieß einen ungeduldigen Seufzer aus und sah auf seine Uhr. »Hör mal, unser Kongress fängt erst um Mitternacht an. Soll ich mit dir rumgehen und dir alles erklären?«
»Ich will mein Geld.«
Er kaute auf der Unterlippe, zog einen Umschlag aus der Gesäßtasche und drückte ihn mir in die Hand, während er sich an mein Ohr beugte und mich bat, später nachzuzählen. Der Umschlag fühlte sich fett an, und ich beruhigte mich ein wenig.
»Komm, ich zeige dir ein bisschen was.« Wir durchquerten den Raum, vollgestopfte Stände rechts und links, und der viele Maschendraht erinnerte mich an Hundezwinger. Wieder stupste Lyle mich mit dem Finger vorwärts. »Der Kill Club – halte mir jetzt bitte keinen Vortrag, wir wissen, dass es ein blöder Name ist, aber er hat sich durchgesetzt. Wir kürzen ihn gerne mit KC ab, das ist einer der Gründe, warum hier jedes Jahr ein großes Treffen stattfindet – Kansas City, KC , Kill Club … äh, wie gesagt, er ist in erster Linie für Leute, die sich dafür interessieren, berühmte Morde genauer aufzuklären. Und für Fans natürlich. Alles von Fanny Adams bis …«
»Wer ist Fanny Adams?«, fauchte ich, und mir wurde klar, dass ich eifersüchtig wurde. Ich war doch das Besondere an dieser Veranstaltung!
»Sie ist mit acht Jahren in England getötet und zerstückelt worden. Der Kerl, an dem wir grade vorbeigekommen sind, der mit dem Zylinder und so – er spielt ihren Mörder. Frederick Baker.«
»Das ist echt krank.« Sie war also schon seit einer Ewigkeit tot. Gut. Keine Konkurrenz für mich.
»Na ja, das war ein ziemlich bekannter Mord.« Er sah, dass ich das Gesicht verzog. »Wie gesagt, mit der Sektion der Rollenspieler hab ich auch meine Schwierigkeiten. Ich meine, die meisten dieser Morde sind schon aufgeklärt, es gibt kein wirkliches Geheimnis mehr. Aber für mich geht es immer um die Aufklärung solcher Geheimnisse. Wir haben hier ehemalige Cops, Anwälte …«
»Gibt es auch Rollenspieler für … meinen Mord? Meine Familie? Gibt es für sie Rollenspieler?« Ein muskulöser Typ mit blonden Strähnchen und einer Aufblaspuppe in einem roten Kleid blieb in der Menge stehen, zerquetschte mich fast, ohne mich wahrzunehmen. Die Plastikfinger der Puppe kitzelten mich an der Wange. Jemand hinter mir schrie:
Scott und Amber!
Ich schubste den Kerl weg und schaute mich um, ob ich irgendwo jemanden entdeckte, der so angezogen war wie meine Mutter oder wie Ben – irgendein Arschloch mit roter Perücke, der eine Axt schwang. Unwillkürlich ballte ich die Fäuste.
»Nein, natürlich nicht«, antwortete Lyle. »Kommt nicht in die Tüte, ich würde nicht zulassen, dass … es … ein Rollenspiel wird. Niemals.«
»Warum sind eigentlich nur Männer hier?« An einem der Stände neben uns stritten sich zwei dicke Männer in Polohemden über irgendwelche Kindermorde in Missouri.
»Es sind nicht nur Männer«, entgegnete Lyle etwas defensiv. »Die meisten Aufklärer sind Männer, aber ich meine, geh mal auf einen Kreuzworträtselkongress, da ist es genauso. Die Frauen kommen hauptsächlich wegen sozialer Geschichten. Sie reden darüber, warum sie sich mit den Opfern identifizieren – weil sie gewalttätige Ehemänner hatten oder so was –, sie trinken Kaffee und kaufen vielleicht irgendein altes Foto. Aber wir müssen vorsichtig sein mit ihnen, weil sie manchmal nicht … weil sie manchmal nicht die nötige Distanz haben.«
»Ja, man sollte die Dinge lieber
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