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Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)

Titel: Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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nicht zu menschlich sehen«, sagte ich scheinheilig.
    Zum Glück ignorierte Lyle meine Bemerkung. »Zum Beispiel sind jetzt alle ganz verrückt mit der Lisette-Stephens-Geschichte.« Er gestikulierte nach hinten, wo eine Gruppe von Frauen sich um einen Computer geschart hatte, die Hälse gereckt, wie Hühner auf der Stange. Ich ging an Lyle vorbei auf den Stand zu und sah, dass sie sich eine Videomontage von Lisette anschauten. Lisette und ihre Freundinnen aus der Studentinnenverbindung. Lisette und ihr Hund. Lisette und ihre Schwester, die ihr ähnelte wie ein Ei dem anderen.
    »Verstehst du jetzt, was ich meine?«, fragte Lyle. »Ihnen geht es nicht um die Aufklärung, sie sehen sich bloß die Sachen an, die sie sich auch zu Hause online anschauen könnten.«
    Allerdings war das Problem mit Lisette, dass es nicht wirklich etwas aufzuklären gab. Sie hatte keinen Freund, keinen Ehemann, keine verärgerten Arbeitskollegen, keine sonderbaren Exhäftlinge hatten in ihrer Wohnung irgendwelche Reparaturen vorgenommen. Sie war einfach verschwunden, ohne dass jemand sich einen Grund dafür denken konnte – außer dass sie sehr hübsch war. Sie war ein Mädchen, das auffiel. Ein Mädchen, über das die Medien gerne berichteten.
    Ich zwängte mich neben einen Stapel Sweatshirts mit dem Aufbügelmotiv: Komm nach Hause, Lisette! Fünfundzwanzig Dollar. Doch die Frauen interessierten sich mehr für den Laptop, und gerade klickten sie sich durch die Zuschriften auf der Website. Oft waren an die Nachrichten auch Fotos angehängt, aber die waren ziemlich geschmacklos. »Wir lieben dich, Lisette, wir wissen, dass du wieder heimkehrst« war mit einem Bild von drei Frauen mittleren Alters am Strand kombiniert. »Wir wünschen deiner Familie Frieden und Liebe in dieser schweren Zeit«, erschien neben einem Foto von einem Labradoodle. Schließlich kehrten die Frauen auf die Homepage zurück, und schon war das Bild zu sehen, das die Medien am meisten liebten: Lisette und ihre Mutter, eng umschlungen, Wange an Wange, strahlend.
    Ich zuckte die Achseln und versuchte, meine Angst um Lisette zu ignorieren. Ich kannte sie ja nicht mal. Außerdem kämpfte ich wieder mit der Eifersucht. Ich wollte, dass der Day-Stand der größte war. Auch eine Art Liebe: Meine tote Familie war die beste. Auf einmal dachte ich an meine Mutter, die roten Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, wie sie mir half, meine dürftigen Winterstiefel auszuziehen, und mir dann die Zehen rieb, einen nach dem anderen.
Jetzt wärmen wir den großen Zeh, dann wärmen wir den Babyzeh
. In der Erinnerung rieche ich Toast mit Butter, aber ich weiß nicht, ob es wirklich so etwas gab. In der Erinnerung habe ich noch alle Zehen.
    Ich fröstelte heftig, wie eine Katze.
    »Wow, ist grade jemand über dein Grab gelaufen?«, fragte Lyle, und dann fiel ihm auf, wie ironisch das klang.
    »Also, was sonst noch?« Vor einem Stand mit Namen »Bobs bizarrer Basar«, der von einem Suppe schlürfenden Mann mit überdimensionalem Schnurrbart betreut wurde, hatte sich eine Menschentraube gebildet. Auf einem Brett hinter ihm waren vier Schädel aufgereiht, auf dem Schild davor stand »Die finalen Vier«. Der Typ rief Lyle zu, er solle ihn mit seiner kleinen Freundin bekannt machen. Lyle winkte ab und versuchte, mich durch die Menge weiterzuziehen, zuckte die Achseln und flüsterte mir
Rollenspieler
ins Ohr.
    »Bob Berdella«, sagte er dann zu dem Mann und zwinkerte, als wäre der Name irgendwie witzig, »das ist Libby Day, deren Familie … na ja, Libby Day vom Kinnakee Kansas Farmhaus-Massaker. Von den Days eben.«
    Der Typ beugte sich über seinen Tisch zu mir. An einem Zahn klebte ein sabbriger Fetzen Hackfleisch. »Wenn du ’nen Pimmel hättest, würdest du jetzt stückchenweise in meinem Müll liegen«, sagte er und stieß ein gezwungenes Lachen hervor. »In winzig kleinen Stückchen.«
    Auf einmal machte er eine Bewegung, als wollte er mich schlagen. Instinktiv wich ich aus, warf mich aber sofort mit erhobener Faust zurück in seine Richtung, voller Zorn, wie immer, wenn ich Angst bekam. Ziel auf die Nase, dass sie blutet, schlag ihm die Fresse ein. Hastig schob Bob seinen Stuhl zurück und nuschelte: »Mann, ich hab das nicht so gemeint, war doch nur Spaß.« Er sah dabei allerdings nicht mich, sondern Lyle an, als wäre ich bloß irgendein Kleinkind. Während er Lyle noch angreinte, holte ich aus, aber weil ich so klein bin, konnte ich leider nur einen harten Schlag unter sein

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